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Sport: Rocklegenden und Randale

Beim 48:21-Erfolg der Tampa Bay Buccaneers im Superbowl war das Footballspiel nur Kulisse

Als die Videotafel im Qualcomm Stadium das Gesicht eines jungen Mannes mit seinem Sohn auf dem Arm zeigte, erschien die gigantische Show wie angehalten. Jedoch nur für kurze Zeit, denn sofort regneten Millionen roter Konfettischnipsel auf Vater und Sohn herunter, während ein Feuerwerk den Himmel in bunte Farben tauchte. Es war das Gesicht von Jon Gruden, der als Trainer die Tampa Bay Buccaneers in San Diego zum ersten Superbowl-Erfolg ihrer Geschichte führte. Ausgerechnet gegen jenes Team, für das Gruden bis 2002 als Trainer verantwortlich war: die Oakland Raiders. Mit 48:21 hat das Team aus Florida den Favoriten aus Kaliforniern deklassiert. Jetzt stand Gruden mit seinem Sohn auf dem Arm auf dem Spielfeld und genoss den schönsten Augenblick seiner Karriere.

Es gibt wohl kein Bild, das in diesem Moment den amerikanischen Traum besser hätte festhalten können. Nahezu jeder Amerikaner träumt davon, einmal als Sieger beim Endspiel der amerikanischen Footballliga NFL vom Platz zu gehen. Jon Gruden hat es geschafft und das schon als 39-Jähriger. Damit ist Gruden, den das „Peoples Magazine“ gerade erst zu einem der 50 schönsten Männer der USA gewählt hatte, der jüngste Headcoach, der jemals den wertvollsten Sporttitel in den USA gewinnen konnte. Noch vor einigen Jahren hat Gruden als Student bei Hooters – einer Restaurantkette, in der Kellnerinnen nur im Bikini servieren – die Burger gewendet. Nun hat er gleich im ersten Jahr mit Tampa den Titel errungen, dem selbst viele Toptrainer jahrelang erfolglos hinterherträumen. Sein Erfolgsrezept: eine starke Abwehr. Das Team mit der besten Defensive der Liga hat die beste Offensive geschlagen und damit eine Footballregel bestätigt: Die Offensive verkauft die Tickets, die Defensive gewinnt Titel.

Doch bevor ein Spieler überhaupt auf den Rasen durfte, zeigte die NFL, warum der Superbowl die größte Eintagesveranstaltung der Welt ist. Die reichste Liga der Welt bot zum Aufwärmen Rocklegende Carlos Santana und die Gruppe Styx auf. Der sonst schon fast als gewöhnlich betrachtete patriotische Auftakt fiel unter dem Eindruck eines möglichen Irak-Krieges besonders emotional aus. Ein Film der US Army, mit dem Amerikas Soldaten geehrt wurden, endete natürlich mit „God bless America“, Gott schütze Amerika. Sofort folgte die inoffizielle Hymne „America the beautiful, God bless America“, gesungen von der Kanadierin Celine Dion, und Helfer bildeten eine riesige US-Flagge. Die Countrygruppe Dixie Chicks schloss das Vorprogramm mit der Nationalhymne, begleitet von Böllerschüssen und dem Überflug eines F18-Jagdgeschwaders.

Das Spiel war dagegen eher emotionslos und langweilig, das Abwehrkonzept von Jon Gruden griff. Mit Ausnahme einer kleinen Schwäche im ersten Viertel, die zum einzigen Fieldgoal und damit zur einzigen Führung der Raiders führte, spielte die Abwehr der Bucs nahezu perfekt. Unter dieser starken Abwehr litt vor allem Oaklands Quarterback Rich Gannon. Der wertvollste Spieler der Saison war der Verlierer des Abends und gleichzeitig Wegbereiter für den Sieg der Bucs. Der 37-Jährige, der in dieser Saison mit seinem Passspiel mehrere Rekorde aufstellte, warf fünf seiner Pässe direkt in die Arme der gegnerischen Abwehr. So viele Interceptions, Fehlpässe, waren einem Quarterback in einem Superbowl noch nie unterlaufen. Unglücklicherweise trugen Tampas Abwehrspieler drei dieser Fehlpässe in die Endzone zum Touchdown. Kurz nach der Halbzeitshow mit Stars wie Sting, No Doubt und Shania Twain entschieden sich viele Raiders-Fans für ein frühzeitiges Gehen. Die Buccaneers führten bereits klar mit 34:9.

Während Tampa feierte, erwiesen sich die Fans der Raiders als schlechte Verlierer. Sie verließen sofort nach dem Spiel das Stadion, was beim Superbowl nicht üblich ist, und randalierten in der Innenstadt. War die Stimmung zwischen beiden Fangruppen vor dem Spiel noch friedlich, schlug diese nun um. Doch das starke Polizeiaufgebot brachte die Randale schnell unter Kontrolle. Anders als in Oakland. Dort setzten enttäuschte Fans zahlreiche Autos in Brand. 85 Personen wurden festgenommen.

Ingo Wolff[San Diego]

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