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Schutzsperre: Schock für Sachenbacher

Die vom Ski-Weltverband FIS verhängte Schutzsperre für Evi Sachenbacher-Stehle hat im Lager des Deutschen Skiverbandes (DSV) Empörung ausgelöst.

Turin - Ein Bluttest am Donnerstagnachmittag ergab bei der Staffel-Olympiasiegerin von 2002 einen überhöhten Hämoglobinwert von 16,3, der zu einer automatischen fünftägigen Schutzsperre führt. Der DSV will die Ausbootung für die Doppelverfolgung am Sonntag nicht hinnehmen und wollte noch am Freitag einen Antrag auf Einstweilige Verfügung gegen die Schutzsperre bei der Ad-hoc-Kommission des Internationalen Sportgerichtshofes CAS stellen. Wird dieser angenommen, entscheidet das CAS innerhalb von 24 Stunden. «Wir wollen, dass sie läuft», sagte DSV-Vizepräsident Peter Schlickenrieder am Freitag.

Einen zunächst angedachten Gang vor ein ordentliches Gericht hatte die Justiz-Abteilung des DSV zuvor verworfen. «Die Athleten haben unterschrieben, dass sie sich bei den Spielen der Gesetzbarkeit des IOC unterwerfen», sagte DSV-Justiziar Werner Scheuer. Ein Expertenteam bereitete am Freitagnachmittag den Antrag auf Einstweilige Verfügung beim CAS vor. «Wir werden ihn noch am Freitag einreichen», betonte Scheuer.

«Ich habe mir nie etwas zu Schulden kommen lassen», beteuerte die 25-Jährige Athletin aus Reit im Winkl immer wieder unter Tränen, nachdem sie am Freitagvormittag ein normales Training absolviert hatte. «Es ist zu blöd, dass ich ausgerechnet im wichtigsten Rennen nicht starten darf», meinte sie. Entgegen den FIS-Statuten war Sachenbacher-Stehle nach der Blutentnahme zur Bestimmung des Hämoglobinwerts nicht auch noch zum Doping-Test gebeten worden. Das wurde vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) am Freitagnachmittag nachgeholt.

Bundestrainer Jochen Behle hatte dies gefordert, um die Unschuld seiner Läuferin beweisen zu können. Gleichzeitig nahm er sie in Schutz: «Wir werden nicht akzeptieren, dass Sportler, die sich nichts vorzuwerfen haben, nicht starten dürfen», empörte er sich. «Ich kann Evi nicht erklären, warum andere mit höheren Werten und einer Ausnahmegenehmigung um Medaillen kämpfen können, während sie draußen steht.» Er lege für seine Athleten «die Hand ins Feuer, dass alle Dopingproben negativ sein werden», sagte Behle. «Wenn Evi nicht starten darf, ist das eine Rufschädigung, die eine Klage zu Folge haben muss.»

«Wir unterstützen das Vorgehen der FIS, weil wir glauben, dass die Gesundheit der Athleten geschützt werden muss», sagte IOC-Präsident Jacques Rogge. «Es handelt sich dabei nicht um positive Doping-Tests. Wir haben bislang keinen Doping-Fall bei den Spielen.»

Wie DSV-Mannschaftsarzt Ernst Jakob verwies Schlickenrieder auf die lange bekannte Tatsache, dass Evi Sachenbacher-Stehle ähnlich wie der Frankenhainer Jens Filbrich und Franz Göring (Zella-Mehlis) genetisch bedingt zu hohen Hämoglobinwerten neigt. Diese Werte können auf Blutdoping hinweisen, aber auch auf natürliche Weise ohne unerlaubte Manipulation zu Stande kommen. Deshalb hatte der DSV bereits im August 2005 eine Ausnahmegenehmigung für die bayerische Läuferin beantragt. Sie wurde nach Verbandsangaben ohne stichhaltige Begründung von der Medizinischen Kommission der FIS abgelehnt. Dem Antrag lagen laut Jakob Gutachten einer deutschen Uniklinik bei, die belegen, dass Sachenbacher-Stehle eine Tendenz zu hohen Werten habe.

Die Schutzsperre wegen hoher Hämoglobinwerte ist umstritten. Jakob erklärte, dass mit Erreichen des Grenzwertes, der bei Frauen 16,0 Gramm Hämoglobin pro Deziliter und bei Männern 17,0 beträgt, nicht automatisch eine Gesundheitsgefährdung erfolgt. «Eine Gesundheitsgefährdung kann nicht nur an einem Wert fest gemacht werden, das wäre zu einfach», betonte der Mediziner. Er hält zudem nichts davon, den Hämoglobinwert vor einer Probe durch eine Unmenge von Flüssigkeit oder Infusionen zu senken. «Das wäre eine Manipulation», sagte Jakob. Langlauf-Teamarzt Ulrich Schneider erklärte, die Athleten würden ohnehin schon drei bis vier Liter täglich trinken. «Irgendwann wehrt sich der Körper dagegen», sagte er.

Die Auseinandersetzung um hohe Hämoglobinwerte droht zu einem juristischen Streit zwischen dem DSV und der FIS auszuarten. Bereits bei der Diskussion um eine Ausnahmegenehmigung für Filbrich, die dieser nach langen Verhandlungen bis zum 26. Februar ausgestellt bekam, hatte der deutsche Verband eine Klage vor dem Internationalen Gerichtshof CAS erwogen.

Von Seiten der FIS sah man am Freitag keine Fehler im Procedere. Generalsekretärin Sarah Lewis erklärte, man äußere sich nicht zu einer möglichen Klage, weil vom deutschen Verband noch niemand Kontakt zur FIS aufgenommen habe. Auch der Vorwurf, nach dem Bluttest habe es die in den FIS-Statuten festgeschriebene Dopingkontrolle bei Evi Sachenbacher-Stehle nicht gegeben, ließ sie nicht gelten. «Bei Olympischen Spielen ist dies Sache des IOC. Wir haben das IOC informiert, damit ist unsere Aufgabe erfüllt», meinte sie. (Von Gerald Fritsche und Eric Dobias, dpa)

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