Sport: Skispringen: Springen für Alois - Die Trauerarbeit der Österreicher
Trauerarbeit ist anstrengend, das verrät schon ein flüchtiger Blick in Toni Innauers Gesicht. Tiefe Falten unter dunklen Augen, unrasiert und blass.
Trauerarbeit ist anstrengend, das verrät schon ein flüchtiger Blick in Toni Innauers Gesicht. Tiefe Falten unter dunklen Augen, unrasiert und blass. Der Cheftrainer der österreichischen Skispringer leidet. Vor zwei Wochen ist Alois Lipburger bei einem Autounfall ums Leben gekommen, Innauers Trainerkollege und bester Freund. "Ich bin ausgelaugt", sagt Innauer. "Ich fühle mich leer." Am Steuer des Unglückswagens saß damals, auf der Rückfahrt vom Weltcup in Willingen, der Springer Martin Höllwarth. Er kam, ebenso wie sein Mannschaftskamerad Andreas Widhölzl, nahezu unverletzt davon.
Lange haben die Österreicher überlegt, ob sie überhaupt bei diesen Weltmeisterschaften in Lahti antreten sollen. Der Schmerz ist frisch und tief. Sie sind dann doch nach Finnland gefahren. "Für Alois" heißt die Parole. Für den toten Lipburger wollen die Österreicher springen. Und sie hoffen, dass Martin Höllwarth seine Schuldgefühle verarbeiten, abbauen kann. Der Erfolg dieser Therapie ist zumindest aus sportlicher Sicht erstaunlich. Am Montag sprang Höllwarth von der Großschanze auf Platz vier. Stefan Horngacher (5.), Andreas Goldberger (11.) und Wolfgang Loitzl (14.) vervollständigten das bemerkenswerte Mannschaftsergebnis.
Innauer hat das alles nur am Rande mitbekommen. "Das ist schon sehr eigenartig, wenn die Leute um dich herum Gold, Gold schreien". Und doch bringt er irgendwie die Kraft auf, sich der Realität zu stellen. "Das Team", sagt der Cheftrainer, "ist näher an der Spitze dran als ich gedacht hätte." Andreas Widhölzl sei zwar im Training mit der Schanze nicht zurechtgekommen, aber beim Mannschaftsspringen könne er heute dabei sein. Angesichts der besonderen Situation hat Innauer auf ein internes Qualifikationsspringen verzichtet. "Wir entscheiden da nicht nur nach Metern. Ich habe mit Andreas gesprochen und ein paar technische Übungen gemacht. Ich glaube, jetzt ist er einen Schritt weiter." Vor einem Jahr hatte Widhölzl die Vierschanzentournee gewonnen, in dieser Saison noch kein Springen.
Bei aller Trauer haben Österreichs Skispringer ihr Tagesgeschäft nicht vergessen. Sie haben das gemacht, was der deutsche Bundestrainer Reinhard Heß vermeiden wollte. Sie haben das Einzelspringen vom Montag hochgerechnet auf die Teamleistung. "Das wären 40 Punkte Rückstand auf Deutschland und zehn Punkte auf Finnland. Da können wir um Gold kämpfen", hofft Stefan Horngacher, und Toni Innauer sagt: "Wir werden uns nicht am vierten Platz orientieren, denn wir haben ein kompaktes Team. Wir werden versuchen, den anderen lästig zu sein." Für Alois.
Lutz Rauschnick