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Sport: Spät gemeldet, früh angekommen

Sensationssieger Kipkoech musste erst bitten, um starten zu dürfen

Zehn Tage vor dem Berlin-Marathon war Gabriele Rosa in Kenia. Der italienische Manager und Trainer einer ganzen Reihe von kenianischen Topläufern wollte sich noch einmal vor Ort von der Form seiner Läufer überzeugen. Zu diesem Zeitpunkt hatte er Raymond Kipkoech noch gar nicht für den Berlin-Marathon gemeldet. Gestern feierte der 23-Jährige den größten Triumph seines Lebens und machte sich über Nacht, innerhalb von 2:06:47 Stunden, einen n in der internationalen Leichtathletik. Mit dieser Zeit gewann er den 29. Berlin-Marathon.

Keiner hatte Kipkoech auf der Rechnung gehabt. Als Rosa in Kenia war, machten Kipkoech und seine Trainingspartner einen Lauf über 35 Kilometer. „Das war ein Test, und Raymond sah sehr gut aus. Danach sagte er mir, er wolle unbedingt beim Berlin-Marathon an den Start gehen", sagt Rosa. Der Italiener war skeptisch. Schließlich ist ein 35-km-Lauf in der Höhenlage zehn Tage vor einem Marathon auch für einen Spitzenathleten eine ungewöhnliche Belastung. „Er sagte, ich könne mich auf ihn verlassen. Und wenn es nicht laufen würde, dann würde er das Rennen vorzeitig beenden", sagt Rosa, der ihn schließlich meldete, obwohl er dabei „kein gutes Gefühl hatte".

Der Gegner freut sich für den Sieger

Für die Konkurrenten war Kipkoechs Sieg hart. Wie schon vor einem Jahr bei der Weltmeisterschaft in Edmonton hatte Simon Biwott wieder einen Marathon erst im Spurt verloren. Damals war es eine Sekunde, die ihn vom Gold bei der WM trennte, gestern waren es zwei Sekunden, die ihm auf der Tauentzienstraße fehlten. „Ich hatte zwei Ziele: zu gewinnen und eine persönliche Bestzeit zu laufen – eines habe ich immerhin erreicht", sagt Biwott und fügte hinzu: „Aber ich freue mich für meinen Freund Raymond." Auch Biwott ist früher von Rosa trainiert worden, hat aber seinen Manager gewechselt und wird nun vom Holländer Jos Hermens betreut. Der kümmert sich unter anderem auch um den äthiopischen Weltrekordler Haile Gebrselassie.

Seit 1999 trainiert Kipkoech in Kapsait in 3000 Meter Höhe. Dort hat Erick Kimaiyo, ein früherer kenianischer Weltklasseläufer, ein Trainingscamp für Rosa aufgebaut. Nachdem der Kenianer die Schule abgeschlossen hatte, schloss er sich der Trainingsgruppe an. „Sein Talent war offensichtlich – es war eine Frage der Zeit, wann er den Durchbruch schaffen würde“, sagt Biwott.

Training in schwierigem Gelände

Jetzt ist Kipkoechs Zeit also gekommen, es war sein Tag. Und er wird in Zukunft noch stärker werden, prognostizieren Experten..

Der Sieger, der bei seinem ersten und bis zu seinem gestrigen Auftritt einzigen Marathon 2:10:52 Stunden gelaufen ist, sagte: „Ich wollte in Berlin eine persönliche Bestzeit laufen und hatte an 2:08 bis 2:09 Stunden gedacht."

Die Grundlage für die enorme Verbesserung hat sich Raymond Kipkoech, der fünf jüngere Geschwister hat, von denen zwei vor kurzem ebenfalls mit dem Laufen begonnen haben, im Training in Kapsait geholt. „Die Bedingungen dort oben sind schwer, es gehört eine Menge Disziplin dazu, wenn man erfolgreich trainieren will", sagt Rosa und fügt hinzu: „Schon mit dem Auto dort hoch zu fahren, ist nicht einfach. Es geht 40 Kilometer über eine Gebirgsstraße."

Wenn die Tempomacher gestern noch schneller angelaufen wären, hätte Raymond Kipkoech vielleicht sogar noch in den Bereich des Weltrekordes von 2:05:38 Stunden vorstoßen können, schließlich gilt Berlin als schneller Kurs. „Ich weiß nicht, ob er es geschafft hätte, aber er sah sehr locker aus und machte auf den letzten Kilometern immer wieder Druck. Mit 23 Jahren ist er noch sehr jung und kann sich noch entwickeln", sagt sein Manager Rosa und fügte hinzu: „Aber er ist nicht der stärkste meiner Gruppe." Kenias Läufer sind eben für immer neue Überraschungen gut. Jörg Wenig

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