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Sport: St. Pauli: Schwarze Raben im braunen Trikot

Es war alles gerichtet: Sonne, gelöste Stimmung, Spielerfrauen in ihren schönsten Miniröcken, mit Hannover ein Gegner ohne Ambition. Und im nahen "Docks" auf der Reeperbahn machte sich Guildo Horn bereit, die Aufstiegsparty des FC St.

Es war alles gerichtet: Sonne, gelöste Stimmung, Spielerfrauen in ihren schönsten Miniröcken, mit Hannover ein Gegner ohne Ambition. Und im nahen "Docks" auf der Reeperbahn machte sich Guildo Horn bereit, die Aufstiegsparty des FC St. Pauli zu untermalen.

Es hätte die Neugeburt des lange gehegten Mythos Millerntor sein sollen, der vierte Aufstieg seit 1977. Da entschloss sich die billigste Mannschaft der Zweiten Liga (sieben Millionen Mark Etat), die teuersten Fehler ihrer Geschichte zu machen. Und zwar so: Torwart Weber startet ohne Not ein beherztes Dribbling und verliert gegen Schäfer - 0:1. Verteidiger Ahlf passt über drei Meter zum Gegner, Kaufmann bedankt sich - 0:2 nach 30 Minuten.

Es lag ein surrealer Schleier über dem Auftritt dieser Mannschaft, die mit neunzig Verwarnungen, jugendlichem Schwung und der Frechheit des Underdogs bis vor die Tür der Ersten Liga gestürmt war, um sich dann doch den Eintritt selbst zu verweigern. "Was soll ich sagen", sagte der knochentrockene Trainer Dietmar Demuth später, "dazu fällt mir nichts ein." Zwar ist mit dem 2:2 - Kapitän Stanislawski und Ivan Klasnic retteten den Punkt - nichts endgültig verloren. St. Pauli hält einen Punkt Vorsprung auf Mannheim, das gestern als einzige Mannschaft aus dem Verfolgertrio gewann. Aber in einer Woche in Nürnberg gewinnen zu müssen, ist "ein Albtraum", wie der von dort geholte Henning Bürger bekannte: "Ich hoffe, es gelingt noch, aber die Mannheimer sind jetzt im Vorteil."

Zumal sich gestern mit Hannover zum wiederholten Mal gegen St. Pauli ein Team präsentierte, das nichts zu gewinnen oder verlieren hatte und trotzdem rannte und grätschte. Sollte das Mode werden, dann wird es schwer. Die Zeugenaussagen der beiden schwarzen Raben: "Ich dachte immer nur, eine Katastrophe, eine Katastrophe", sagte Torwart Weber, der sich nach dem Spiel den Fans stellte, als erwarte er Prügel. "Ich hatte Blei in den Beinen", sagte Markus Ahlf. "Jetzt holen wir eben in Nürnberg einen Punkt", erzählte der leicht abwesend wirkende Weber noch, ohne zu realisieren, dass das eher nicht reichen wird. Zufall, dass beide den Verein wahrscheinlich verlassen müssen und das vorher schon wussten? Ahlf wurde gestern vom 1. FC Union Berlin beobachtet, der ausgeliehene Weber kehrt zum Heimatverein FC Tirol zurück. "Es war nicht so sehr Nervosität", sagte Weber, "mehr der Druck."

Fast eine ganze Saison lang hatte sich die Mannschaft einreden können, dass weder Fans noch Verein mehr erwarten würden als den Nicht-Abstieg. Doch zum Saisonschluss funktionierte diese Strategie nicht mehr: In Hamburg hatte St. Pauli den HSV von den Sportseiten verdrängt, beim Verein gingen Blanko-Schecks für Erstliga-Dauerkarten ein, und täglich priesen sich im Training neue Spieler an. Vielleicht, wahrscheinlich sogar vergebens. Wahrscheinlich wird von dieser Saison nur das Spiel gegen Hannover in Erinnerung bleiben - mit zwei Fehlern für die Ewigkeit.

Julia Möhn

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