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Sport: Sturm ohne Drang

Werders Sorgen vor dem Spiel in Amsterdam zeugen von einer großen Krise

Heute Abend könnte wieder so ein Moment kommen, in dem sich das Fußballerleben des Kevin Schindler nachhaltig verändert. „Wenn ich abends im Bett liege, frage ich mich schon manchmal, ob ich das alles realisiere, was hier gerade mit mir abläuft“, sagte der 18-Jährige kürzlich, „ich hätte nie gedacht, dass es so schnell geht.“ Der steile Aufstieg könnte heute in der Amsterdam-Arena beim Uefa-Cup-Rückspiel Ajax Amsterdam gegen Werder Bremen (21 Uhr, live im ZDF) eine Fortsetzung erfahren: Gestern stieg der gebürtige Delmenhorster, der seit der E-Jugend das Werder-Trikot trägt, in die Chartermaschine, die den Bremer Tross in die niederländische Metropole brachte, heute stehen die Chancen nicht so schlecht, dass Trainer Thomas Schaaf seinem Talent das erste Mal zu internationalen Meriten verhilft.

Schindler ist nämlich Stürmer – und für viele regelmäßige Beobachter beim Training seit Wochen einer der stärksten. Das ist – ohne die viel versprechenden Ansätze des Blondschopfes von den A-Junioren abzuwerten – derzeit aber auch nicht schwer. Denn Bremens gepriesene Torfabrik vermeldet eine Produktionskrise – die angreifende Abteilung um Miroslav Klose steckt im Leistungsloch. „Momentan komme ich auf dem Platz einfach nicht von der Stelle. Ich weiß, dass ich viel besser spielen kann“, sagt Klose selbstkritisch, dessen Berater Alexander Schütt sich hartnäckig dagegen wehrt, die ungeklärte Vertragssituation habe damit zu tun. Das beteuert auch der 28-Jährige, doch Spritzigkeit und Torgefährlichkeit, Instinkt und Kaltschnäuzigkeit gehen ihm derzeit ab. Vieles könne er derzeit nicht umsetzen, gibt Klose zu, ein Rätsel, warum das so sei. Triftige Erklärungen – auch vonseiten der sportlichen Leitung – gibt es nicht. „Wir müssen die Dinge abrufen, die uns stark machen“, sagt Sportchef Klaus Allofs ganz allgemein. Und meint speziell doch seine Stürmer. Manifestiert sind deren Schwächen auf internationaler Ebene: Die zehn Treffer, die Werder bislang in Champions League und Uefa-Cup erzielte, stammen ausschließlich von Abwehr- und Mittelfeldkräften. Nicht nur WM-Torschützenkönig Klose – 818 Minuten im Europacup ohne Treffer – ging bislang leer aus, sondern auch Aaron Hunt und Hugo Almeida. Sowohl der 20-jährige Hunt als auch der 22-jährige Almeida sind derzeit an Kloses Seite keine große Hilfe. Auch der im Uefa-Cup gegen seinen ehemaligen Verein nicht spielberechtigte Neuzugang Markus Rosenberg war unlängst gegen den Hamburger SV nicht der Heilsbringer. Im Gegenteil: Der schwedische Nationalspieler verdingt sich derzeit bei den Amateuren, um Spielpraxis zu sammeln. Die Gründe für die Probleme im Sturm sind vielschichtig. Sowohl die Qualitäten des dribbelstarken Mohamed Zidan, den es mit Macht nach Mainz zog, als auch des cleveren Ivan Klasnic, der derzeit wegen einer Nierenerkrankung nur Zaungast beim Training ist, stünden Werder gut zu Gesicht.

Würden die Stürmer treffen, hätte sich zu Wochenanfang auch kaum die Unruhe um die berechtigte Kritik von Torsten Frings nach dem HSV-Spiel („Nicht alle reißen sich den Arsch auf“) potenziert. Daniel Jensen und Diego mahnten an, solche Sätze künftig nur in der Kabine zu äußern, woraufhin Werders Wortführer erneut öffentlich Klage führte: „Als Kapitän muss ich auch mal deutlich werden.“ Allofs und Schaaf hatten gestern größte Mühe, dem Eindruck einer gespaltenen Mannschaft entgegenzutreten. „Es gehört dazu, dass man als Kapitän die Meinung sagt“, sagte Trainer Schaaf. „Torsten tut so etwas auf seine direkte Art und Weise.“

Vielleicht ist es ganz gut, dass Werder heute dank des 3:0 im Hinspiel in einer komfortablen Situation ist. „Wir müssen schon eine Menge falsch machen, um nicht weiterzukommen“, sagt Allofs, der auf ein eigenes Tor hofft, „um das Spiel zu beruhigen“. Vielleicht löst ja tatsächlich heute Kevin Schindler das Problem. Zweimal kam er in dieser Saison schon zum Einsatz: bei Testspielen in Erfurt und Magdeburg. Und dabei schoss er drei Tore.

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