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Tröten ist international: Australische Fußballfans bei einem Vuvuzela-Flashmob in Berlin.

© dpa

Vuvuzelas: Taub durchs Tröten?

Die bunten Plastiktröten sind auch in Deutschland ein Verkaufsschlager. Doch Ohrenärzte warnen vor Hörschäden - Vuvuzelas sind so laut wie startende Düsenjäger. Dänemarks Nationaltrainer Morten Olsen hat seinen ganz eigenen Lärmschutz entwickelt.

In Berlin kamen etwa 50 Fans zusammen, wie viele es an anderen Orten der Welt waren, war zunächst unbekannt: Kurz vor Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft fand am Freitag ein Flashmob der besonderen Art statt. Die Teilnehmer trugen eine Vuvuzela bei sich - jene Tröte, die nach den Befürchtungen ihrer Kritiker den Menschen den Gehörgang zerpustet, nach Auffassung ihrer Anhänger aber zur Brücke zwischen Südafrika und der übrigen Welt werden kann.

Zuletzt bereicherte 1986 eine Weltmeisterschaft den Fußball mit einer Neuerung, die heute aus den Stadien nicht mehr wegzudenken ist. Damals schwappte in Mexiko La Ola, die Welle, durch die Stadien und breite sich über die Welt aus. Dass die typisch südafrikanische Vuvuzela die Fankultur ähnlich nachhaltig prägen könnte, ist für Mediziner indes eine Horrorversion. Sie warnen nachdrücklich vor Hörschäden durch die Tröten, die im vergangenen Jahr beim Testturnier für die Fußball-WM erstmals außerhalb Südafrikas für größere Aufmerksamkeit sorgten. Bis zu 135 Dezibel erreicht die Original-Tröte - das ist die Grenze, ab der an deutschen Arbeitsplätzen ein Gehörschutz getragen werden muss, und in etwa die Lautstärke, die ein startender Düsenjäger erzeugt.

In Deutschland sicherten sich die beiden Düsseldorfer Geschäftsleute Frank Urbas und Gerd Kehrberg das Markenrecht und das Recht zur Produktion der Tröte in der Europäischen Union. Zusammen mit dem TÜV Rheinland entwickelten sie eine teutonische Variante des Blasinstruments, das in Südafrika auch erst seit etwa 20 Jahren verbreitet ist. Damit sie nicht als Schlagstock missbraucht werden kann, besteht die deutsche Tröte anders als das einteilige Original aus drei Teilen. Und um den Lärm zu dämpfen, ließen die Hersteller einen Schalldämpfer einbauen. "Nur" 122 Dezibel sind nun maximal möglich.

Urbas und Kehrberg ließen fünf Millionen Stück von der deutschen Vuvuzela produzieren und vertreiben sie jetzt über große Konzerne - von Tankstellen über Brauereien bis hin zu Lebensmittelketten. Wieviele von den fünf Millionen bisher tatsächlich verkauft wurden, will Kehrberg nicht verraten. Sie seien aber "sehr, sehr zufrieden" und träumen nun davon, die Vuvuzela in der Fußball-Bundesliga, bei Autorennen, dem Handball oder sogar der Vierschanzentournee zu etablieren.

Getrübt wird die Zufriedenheit allerdings durch die Behörden, die in vielen Städten in den Fanzonen den Vuvuzela-Einsatz verboten haben. Eine entsprechende Empfehlung dazu gab etwa das Umweltministerium in Nordrhein-Westfalen heraus. Kehrberg sagt, nur ein geübter Trompeter sei überhaupt in der Lage, aus der Vuvuzela den maximalen Krach herauszublasen. Die seit langem verbreiteten Fantröten, die mit Gas betrieben werden, seien lauter. "Und wenn auf Schalke die Fans den Ribéry auspfeifen, machen sie allemal mehr Krach."

Tatsächlich klingen die Vergleiche der Vuvuzela mit Düsenjägern oder Kettensägen Furcht einflößend - Fans in Fußballstadien setzen sich aber immer wieder freiwillig solch einem bedenklichen Krach aus. So wurden bei einem Bundesligaspiel zwischen dem FC Schalke und VfB Stuttgart vor drei Jahren nach einem Torschuss 129 Dezibel gemessen, in Istanbul sollen es bei einem Spiel von Besiktas sogar schon mal 132 Dezibel gewesen sein, die die Fans verursacht haben.

Während in Deutschland noch Uneinigkeit herrscht, wie das Tröten-Phänomen einzuschätzen ist, macht sich Dänemarks Nationaltrainer Morten Olsen keine Sorgen über ohrenbetäubenden Lärm aus südafrikanischen Vuvuzelas bei den bevorstehenden WM-Spielen. „Das bedeutet überhaupt nichts für mich. Ich zieh einfach die Stölpsel von meinen beiden Hörapparaten raus“, sagte der 60-Jährige am Freitag in der heimischen Zeitung „Politiken“.

Olsen leidet seit den 70er Jahren an der erblichen Hörkrankheit Otosklerose (Verknöcherung des Gehörknöchelchens). Als aktiver Spieler mit 102 Länderspieleinsätzen behinderte ihn das, inzwischen wirbt Olsen in Dänemark für digitale Hörapparate. Und kann sich beim ersten Gruppenspiel in Johannesburg am Montag auf einen Vorteil gegenüber seinem niederländischen Kollegen Bert van Marwijk freuen. Von dem hatten Medien berichtet, dass er sich überlege, wegen des Trötenlärms mit Ohrstöpseln sowie Kopfhörern und darüber noch einer Pudelmütze auf der Bank Platz zu nehmen. (AFP/dpa)

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