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Guter Deal? Ein altes gegen drei neue Tickets.

© imago/Fotoarena International

WM 2014: Tausche Endspielkarte gegen Endspielkarte

Ein Brasilianer bewahrte 64 Jahre sein unbenutztes WM-Ticket von 1950 auf – und bekommt im Tausch nun drei Finaltickets.

Man muss Fußballsammler nicht überhöhen. Es gibt Menschen, die sammeln Eintrittskarten von Rolling-Stones-Konzerten oder Diddl-Maus-Schlüsselanhänger. Trotzdem sind Fußballsammler eine besondere Spezies, denn die Sorge, dass ihre Kollektion nicht vollständig sein könnte, treibt sie manchmal in überaus missliche Situationen. Es gibt zum Beispiel sogenannte Groundhopper, die müssen unbedingt das eine Stadion in Murmansk besuchen, um ihre Stadionsammlung zu komplettieren. Oder es gibt Trikotsammler, die reisen mit dem Fahrrad durch die Anden, um diesen einen seltenen Schal der nicht mehr existenten peruanischen Drittligamannschaft zu ergattern.

Ja, vielleicht ist es wirklich so, dass Fußballsammler dem Typus am nächsten kommen, den der französische Philosoph Jean Baudrillard in „Le Système des objets“ beschrieb: Der Mensch sammle das Alte und Authentische als „ewiges Streben nach dem Mythos des Ursprungs“.

Der 84-jährige Joedir Belmont aus dem brasilianischen Conceicao de Macabu sammelt auch, und natürlich archiviert er. Allerdings war seine Sammlung über all die Jahre sehr überschaubar, sie bestand aus einer einzigen Eintrittskarte vom finalen Spiel der WM 1950. Trotzdem stellen ihm Freunde dieselben Fragen wie allen Fußballsammlern. Warum bewahrst du das auf? Der Sammler zog dann die Schultern hoch. Wie die anderen Sammler wollte er dann sagen: „Eines Tages wird es wichtig werden.“ Doch weil das sein Tun wirklich überhöht, sagte der Sammler nur: „Damit ich nicht vergesse.“

Vielleicht wäre es auch dieses Mal wieder nicht wichtig geworden, wenn er nicht vor einigen Tagen einen Brief an die Fifa geschickt hätte.

„Ich habe eine unbenutzte und gut erhaltene Endspielkarte von 1950“, schrieb er darin. Er wusste, dass die Fifa ein WM-Museum eröffnen will. Und er ahnte, dass er vermutlich der einzige Mensch ist, der noch eine unbenutzte Karte vom 16. Juli 1950 hat. Von jenem Tag, als Uruguays Alcides Gigghia das mit 200 000 Menschen gefüllte Maracana zum Schweigen brachte. Vom Tag, den die Brasilianer seitdem „Maracanazo“ nennen.

„Damals musste ich kurzfristig zu meiner kranken Mutter“, sagt Belmont. „Deshalb konnte ich das Spiel nicht sehen.“ Das Ticket behielt er. Als er am Abend von der Niederlage gegen Uruguay erfuhr, weinte er ein bisschen.

Seitdem sind 64 Jahre vergangen. Brasilien gewann zwischenzeitlich fünf Weltmeisterschaften. Garrincha starb, Pele schoss 1000 Tore, Zico und Socrates zauberten, Ronaldos Stern ging auf und fiel, und Neymar wechselte zum FC Barcelona. Belmont sah sie alle kommen und gehen, und er wachte über sein Ticket, als würde er damit eines Tages die Geschichte umschreiben können.

Vor einigen Tagen meldete sich die Fifa tatsächlich zurück. Ja, natürlich, man wolle das Ticket gerne haben. Im Tausch bot der Verband ein Ticket für ihn und zwei Karten für seine Kinder für das WM-Finale an. Belmont sagte zu. „Ich hoffe, wir gewinnen“, sagte er und dann holte er die Karte aus einer Folie heraus. Sie sah aus wie frisch gedruckt.

Am 13. Juli 2014 wird Belmont im neuen Maracana sein WM-Finale erleben. Zwar nicht gegen Uruguay, aber vielleicht mit Brasilien als Weltmeister. Es war ein langer Weg zum Ziel. Vermutlich der längste, den je ein Fußballsammler gegangen ist.

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