Skicross-Drama: Trauer und Entsetzen nach Tod des Kanadiers Zoricic
Nach dem Tod von Nikola Zoricic erwartet die Freestyle-Szene eine Sicherheitsdebatte. Ein Fahrfehler des 29-jährigen Kanadiers kurz vor dem Zieleinlauf gilt als wahrscheinliche Unglücksursache.
Mit ihrer Trauer wollte die Skicross-Familie am Sonntagmorgen für ein paar Momente alleine sein. Die Medien waren ausgeschlossen, als sich die Weltcup-Fahrer auf der Strecke in Grindelwald in einer gemeinsamen Abfahrt vom am Samstag tödlich verunglückten Kanadier Nick Zoricic verabschiedeten. Im Zielraum, an der Stelle, an der 29-Jährige Tags zuvor schwer gestürzt war, bildete sich ein Blumenmeer. Entsetzen und Ratlosigkeit waren knapp 24 Stunden nach dem rabenschwarzen Moment für die junge Sportart im Zielhang von Grindelwald zu spüren. Für Erklärungsversuche war es aber noch viel zu früh.
„Wir haben keine Grundlage im Moment. Die Ursache für das Unglück muss erst geklärt werden. Alles andere wird folgen“, sagte Christoph Egger, Chef des lokalen Organisatonskomitees, der Nachrichtenagentur dapd. Die Phase der „Trauer und Fassungslosigkeit“ müsse man „vorbeigehen lassen. Für Spekulationen ist es viel zu früh“. Eine strafrechtliche Untersuchung auf der Unfallstrecke sollen in den „kommenden Monaten“ die Frage nach dem Warum klären. Um eine Sicherheitsdebatte wird die Freestyle-Szene nach dem zweiten tödlichen Unfall im Skiteam Kanada binnen zwei Monaten aber wohl nicht herumkommen.
„Natürlich müssen wir diese Diskussion führen und Schlussfolgerungen ziehen“, führte Egger fort. „Jeder Leistungssport, vor allem wenn es auch um Geschwindigkeit geht, birgt gewisse Risiken. Da muss man sich immer Gedanken machen“, sagte auch Heli Herdt, Sportdirektor Skicross des Deutschen Skiverbandes (DSV). Bisher wird davon ausgegangen, dass Zoricic bei seinem schrecklichen Unfall im Achtelfinallauf des Weltcup-Finals gepatzt hat. Egger betonte, dass es im letzten Jahr und auch in Vorbereitung auf den diesjährigen Weltcup keinen einzigen Sturz nach dem weiten Zielsprung gegeben hatte.
„Ich weiß, dass wir gemeinsam mit der FIS das Möglichste gemacht haben, um einen sicheren Kurs anzubieten“, sagte der Schweizer. Auch anwesende Journalisten sprachen im Zielraum von einem Fahrfehler. „Es war eine Verkettung unglücklicher Umstände“, sagte Herdt. Für die „Gladiatoren des Skisports“, die die Skicrosser gerne sein wollen, sind schwere Unfälle keine Seltenheit. Die deutsche Vorzeigefahrerin Heidi Zacher kam Anfang der Saison noch glimpflich davon, als sie sich „nur“ das Wadenbein brach. Schon nach dem Tod der Vorzeige-Halfpiperin Sarah Burke in Folge eines Trainingsunfalls im Januar stellte sich die Frage, wie sehr man das „höher, schneller, weiter“-Image strapazieren darf. Zoricics tragischer Unfall ist nun der erste Todesfall im Skicross. „Man kann von nichts anderem als einem Tiefpunkt für den Sport sprechen“, sagte Egger.
„Skifahren ist ein großartiger Sport, der viel gibt, aber auch nimmt. Es ist ein trauriger Tag, Nick Zoricic zu verlieren“, schrieb der Rennläufer Ted Ligety bei Twitter. Auch er forderte, aus dem Drama zu lernen. Nur wie? Kann eine Sportart, die von Freiheit und Risikofreude lebt, die Rolle rückwärts überhaupt schaffen? Die Strecke in Grindelwald wurde von den meisten Athleten als „Gleitstück“, also als flacher Kurs, bezeichnet.
Um 12.35 Uhr war Zoricic am Samstag wohl in Folge eines Schädel-Hirn-Traumas verstorben. Beim Zielsprung, den der Kanadier gleichauf mit zwei Kontrahenten im Duell Mann-gegen-Mann anfuhr, landete er neben der Piste und blieb, eingewickelt im Fangnetz, bewusstlos liegen. „Das ist ein sehr trauriger Tag für die ganze olympische Bewegung“, sagte Jacques Rogge, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees.
Das Skiteam Kanada hat sich laut Schweizer Fernsehen noch am Samstag von dem „talentierten Skiracer und großartigen und beliebten Athleten“ (Verband) verabschiedet. Auf dem Jungfrau-Gipfel im Berner Oberland ist die Mannschaft der kanadischen Tradition nachgekommen, auf einem Berggipfel von einem Verstorbenen Abschied zu nehmen. Eine Tradition, auf die sie gerne verzichtet hätten. (dapd)