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Sport: Weiterbasteln am Wunder

Die deutschen Basketballer bringen den WM-Favorit USA überraschend arg in Verlegenheit

Von Matthias Krause

Indianapolis. Statistisch gesehen liegt die deutsche Mannschaft bei der Basketball-Weltmeisterschaft in Indianapolis im Plan. Erfolg gegen China, Niederlage gegen die USA, das letzte Vorrundenspiel gegen Algerien eine Pflichtaufgabe, die Zwischenrunde souverän erreicht. Aber so denken sie nicht beim Deutschen Basketball-Bund, nicht im Trainerstab und schon gar nicht in der Mannschaft. Die will alles - und zwar gleich, sofort, hier und jetzt. Wahrscheinlich war es gerade diese Ungeduld, welche die deutschen Spieler in der Nacht zum Samstag um einen historischen Erfolg brachte.

Mitte des dritten Viertels hatten die Spieler von Bundestrainer Henrik Dettmann die scheinbar übermächtigen US-Amerikaner im RCA Dome so weit, dass die erstmals ernsthaft über eine drohende Niederlage nachdachten. Ihr Coach George Karl sagte: „Die Deutschen haben uns Angst eingejagt." Allerdings überwanden seine Spieler dieses Gefühl relativ schnell. Und so konnte Karl dann auch nach dem 104:87 (52:51)-Erfolg verkünden: „Diese Angst war gut für uns."

Dirk Nowitzki, natürlich der alle überragende Mann von den Dallas Mavericks, war es, der das deutsche Team erstmals 64:63 in Führung brachte. Vier Minuten und 55 Sekunden waren da noch im dritten Viertel zu spielen. Zuvor hatte er gerackert und gerauft, bis zu drei Gegenspieler auf sich gezogen – und meistens den Ball doch noch irgendwie in den Korb lanciert. Oder zumindest seine Freiwürfe getroffen. Am Ende standen 34 Punkte und zehn Rebounds für Dirk Nowitzki auf dem Block, wieder einmal war er von niemandem zu stoppen. Und es gab andere, die in der Lage waren, die Last mit zu tragen. Der Berliner Marko Pesic gab entscheidende Impulse, schloss Lücken in der Verteidigung, traf wichtige Drei-Punkte-Würfe und verteilte die Bälle im Angriff klug und gewinnbringend (neun Punkte, sechs Assists).

Oder Ademola Okulaja. Mit 19 Punkten war er hinter Nowitzki der beste Korbjäger, dazu fünf Rebounds, fünf Assists und die vielen kleinen Dinge, die ihn auszeichnen. Zwar ist Nowitzki ganz klar der Frontmann des DBB-Teams, doch dahinter verstecken sich viele verschiedene Gesichter. Und jeden Tag kann ein anderes zum Vorschein kommen. Das macht es unberechenbar für die Gegner.

Nach dem 64:63 ging die DBB-Auswahl noch einmal 67:65 in Führung, durch einen Dreier von Pesic. Die 200 deutschen Fans im RCA Dome jubelten frenetisch Doch da hatte sich schon etwas ins Spiel der Deutschen eingeschlichen, das Nowitzki später so beschrieb: „In der Offensive gab es zu viele Einzelaktionen."

Schlechte Würfe und viele Ballverluste (insgesamt 22) waren die Folge, die Amerikaner bestraften die Schwächeperiode hart. Mit der Schluss-Sirene des dritten Viertels versenkte Paul Pierce (Boston Celtics) gar einen Wurf fast von der Mittellinie zum 77:67 für die USA. „Das war wie ein Stich ins Herz", bekannte Nowitzki. Innerhalb weniger Minuten konnte es dann keinen Zweifel mehr geben, wer gewinnen würde.

„Eigentlich ist es schon erstaunlich, dass wir überhaupt dran waren", sagte Dirk Nowitzki. Das klang, als müsse er sich selbst trösten. Nachwuchs Aufbauspieler Misan Nikagbatse (Olympiakos Piräus) ging mit sich selbst hart ins Gericht: „Meine Leistung war heute einfach mies." Um dann die treffendste Analyse des Tages nachzuliefern: „Die waren eigentlich schon am Kippen, sie haben keine Antwort gehabt auf unser Spiel. Dann haben wir den Kopf verloren."

Aber eigentlich denken die meisten im Team schon weiter. Viel weiter. Berlins Flügelspieler Jörg Lütcke zum Beispiel. Er sagte den Journalisten: „Ihr kennt doch das Wunder von Bern: 3:8 in der Vorrunde und dann – na, Ihr wisst ja, wie das ausgegangen ist. So machen wir das auch."

1954? Wunder von Bern? Ach ja, die Mannschaft von Sepp Herberger gewinnt das Fußball-WM-Finale gegen die hoch favorisierten Ungarn in der Schweiz 3:2. Nun hoffen sie also auf das Wunder von Indianapolis.

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