Sport: Wenig Talent, viel in der Faust
In der nordamerikanischen Eishockey- Profiliga NHL häuften sich in den vergangenen Wochen Szenen, nach denen schwer demolierte Spieler auf Tragen vom Eis geschleppt wurden. Zwar sind bislang alle irgendwann wieder aus eigener Kraft aufgestanden, aber unheimlich wurde es NHL-Vizechef Colin Campbell doch.
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In der nordamerikanischen Eishockey- Profiliga NHL häuften sich in den vergangenen Wochen Szenen, nach denen schwer demolierte Spieler auf Tragen vom Eis geschleppt wurden. Zwar sind bislang alle irgendwann wieder aus eigener Kraft aufgestanden, aber unheimlich wurde es NHL-Vizechef Colin Campbell doch. Also dachte er laut darüber nach, ob man Prügeleien nicht schärfer sanktionieren sollte als nur mit der obligatorischen Fünf-Minuten-Strafe. Prompt erhob sich ein lauter Chor der Entrüsteten. Am heftigsten rebellierte eines der jüngsten Opfer selbst. Philadelphias Todd Fedoruk war vergangene Woche von Rangers-Rivale Colon Orr mit einem Haken gegen seine bereits von zahlreichen Titanplatten zusammengehaltene Gesichtsfassade schlicht ausgeknockt worden. Als er nach mehreren Minuten ohne Bewusstsein wieder zu sich kam, stellte er fest, dass er sich beim Fall auch noch das Knie verdreht und eine Sehne angerissen hatte.
„Ich wäre am Boden zerstört, wenn ich der Auslöser für ein Raufverbot wäre“, sagte Fedoruk. Dann setzte er zu einer langen Erklärung an, wonach er eigentlich selbst Schuld sei an dem Knock-out. Zum einen sei er im vorherigen Aufeinandertreffen New-York-Rangers-Star Jagomir Jagr so sehr in die Parade gefahren, dass Coach Tom Renney dieses Mal Orr auflaufen ließ. Der habe nur getan, was ihm aufgetragen worden war, verteidigte ihn Fedoruk. Außerdem hätte er selbst aggressiver sein sollen, glaubt er, zurückliegende Verhaltensauffälligkeiten und die fragilen Gesichtsimplantate hätten ihn zurückgehalten. So schlimm sei das alles nicht gewesen, fügte Fedoruk an: „Die meisten Ärzte sagen, ich habe eine Gehirnerschütterung. Aber das ist Quatsch.“
Seine vehemente Verteidigung lässt sich aus der Angst um seinen Arbeitsplatz erklären, gehört er doch zu einer Spezies, die vom Aussterben bedroht wäre, würde das Prügeln in der DHL ernsthaft geahndet. „Enforcer“ nennen sie in den USA jene Sportler, die durch wenig Talent, aber viel Dampf in der Faust auffallen. In der Basketballiga NBA war es bis in die 80er Jahre üblich, den Stars einen raufwilligen Beschützer an die Seite zu stellen. Doch nach einem fürchterlichen Unfall, der Rudy Tomjanovich beinahe das Leben kostete, griff die Basketball-Liga durch. Danach sieht es in der NHL derzeit nicht aus. Wahrscheinlicher wäre da schon, dass sie Fedoruk nun an die Spitze der Spielergewerkschaft wählen.
An dieser Stelle erklären die US-Korrespondenten und Sebastian Moll regelmäßig Phänomene aus dem nordamerikanischen Sport.
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