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Niersbach folgt auf Zwanziger: Wie geht es beim DFB weiter?

Wolfgang Niersbach folgt Theo Zwanziger als Chef des größten Sportverbands der Welt. Doch mit dem Amt erbt der neue DFB-Chef auch einige Probleme.

Wolfgang Niersbach war immer eng mit der Fußball-Nationalmannschaft verbunden. Als Sportjournalist reiste er ihr zu großen Turnieren nach, als Pressechef betreute er sie beim WM-Triumph 1990, als Organisator plante er die grandiose WM 2006 im eigenen Land mit – nun nimmt sich der 61 Jahre alte Funktionär ein Beispiel an der Nationalmannschaft. So wie die Fußballer das alternde Alphamännchen Michael Ballack verstießen und sich mit Philipp Lahm einen kommunikativen Teamplayer als neuen Kapitän gaben, so wird Berufs-Kommunikator Niersbach im Oktober den immer selbstverliebter agierenden Präsidenten Theo Zwanziger vorzeitig beerben. Der 2007 zum Generalsekretär aufgestiegene selbst ernannte Mannschaftsspieler Niersbach erbt damit auch einige Probleme.

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) ist mit fast sieben Millionen Mitgliedern zwar der größte Sportverband der Welt – und damit auch einer der mächtigsten. Er ähnelt aber zuweilen einem riesigen Tanker, der mit 210 Mitarbeitern im Stadtwald von Frankfurt am Main vor Anker liegt. Niersbachs einmal geäußerter Wunsch, den DFB bei Bedarf „zu einem Schnellboot“ auszubauen, scheitert allzu oft an den verkrusteten Strukturen. Derzeit prägen die regional organisierten Amateurverbände den DFB; im Spiel um Macht und Eitelkeiten bremsen sie sich jedoch immer wieder aus. Der Profifußball hat sich dagegen mit dem eigenen Dachverband Deutsche Fußball-Liga (DFL) schlagkräftiger positioniert.

Das größte Zukunftsproblem für den Verband ist daher ein öffentlich weitgehend unbekanntes: die labile Balance zwischen der Basis und dem Spitzenfußball. Viele Funktionäre, selbst in der Bundesliga, wünschen sich eine neue Amateurorganisation, die ebenfalls unabhängiger vom DFB ist und die Basis auf Augenhöhe vertritt. Festgeschrieben sind die Beziehungen zwischen DFB und DFL bisher im Grundlagenvertrag, dessen Verlängerung nächstes Jahr neu verhandelt werden muss. Auf beiden Seiten haben sich starke Personen positioniert, die ebenfalls als Zwanzigers Nachfolger gehandelt worden waren: Ligapräsident Reinhard Rauball und der süddeutsche Verbandschef Rainer Koch. Hier für Ausgleich zu sorgen und Strukturreformen anzustoßen, wird Niersbachs wichtigste Aufgabe sein.

Auch die Positionierung des Fußballs bei Gesellschaftsthemen muss Niersbach noch meistern. Noch-Präsident Zwanziger hat – etwa beim Kampf gegen Homophobie, der Aufklärung der NS-Vergangenheit des DFB, der Würdigung des Ehrenamts und der Förderung des Frauenfußballs – viele Akzente gesetzt; von Niersbach war in diesen Fragen bislang wenig zu hören. Dabei braucht der Fußball neue Zukunftskonzepte. Der demografische Wandel und die Landflucht machen es immer schwieriger, in der Fläche genügend Leute für eine Fußballmannschaft zusammenzubekommen. Interne Studien gehen davon aus, dass der DFB in den nächsten Jahren Fußballmannschaften im fünfstelligen Bereich verlieren wird – das bedroht die Zukunft vieler Vereine. Auch muss der Vereinssport mit der Betreuung von immer mehr Kindern in Ganztagsschulen vereinbart werden.

Im Spitzenfußball sieht es derzeit besser aus: Die Nationalmannschaft von Bundestrainer Joachim Löw begeistert mit offensivem Spiel, die Bundesliga boomt. Doch gesellschaftliche Probleme werden auch im öffentlich ausgeleuchteten Sport offenbar. So schwelt weiterhin die Affäre um den Steuerbetrug von Spitzenschiedsrichtern und kratzt an deren Glaubwürdigkeit. Einige in Ultragruppen und -untergruppen organisierte Fans benutzen zudem den Sport als Bühne für Gewalt oder Rassismus; die Bundespolitik verlangt hier ein härteres Durchgreifen des DFB. Das ist nicht einfach, weil sich viele Anhänger sowieso gegängelt fühlen und von der allgegenwärtigen Kommerzialisierung genervt sind. Wolfgang Niersbach ist auch hier als Mittler gefragt. Diese Rolle liegt ihm, wie er zuletzt im immer wieder aufkommenden Konflikt zwischen DFB-Sportdirektor Matthias Sammer und Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff gezeigt hat.

Fußball ist ein Mannschaftsspiel, das hat Wolfgang Niersbach verinnerlicht. Der künftige DFB-Präsident kann den deutschen Fußball prägen, wenn er kommunikativ nach innen bleibt und neue Ideen nach außen trägt. Offensive Ideen, die jedes gute Fußballspiel braucht.

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