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Sport: Wie lange dauert oben?

Nach fünf Jahren Formel 1 sitzt Nick Heidfeld in einem Spitzenauto – doch sein Platz ist keineswegs sicher

An Rennoveralls herrscht im Hause Heidfeld kein Mangel. Während seiner noch recht jungen Formel-1-Karriere hat Nick Heidfeld eine stattliche Anzahl dieser Bekleidungsstücke angehäuft. Die Teams Prost, Sauber und Jordan haben ihm nach dem Ende seiner Engagements ihr Firmeneigentum überlassen. „Die schmeiße ich nicht weg“, sagt Nick Heidfeld, „die liegen alle irgendwo in einer Kiste in der Abstellkammer.“ In dieser Saison nun wird der 27-Jährige den weiß-blauen Rennanzug von BMW-Williams überstreifen. Dennoch ist Heidfelds vierter Formel-1-Overall ein besonderer: Zum ersten Mal hat der Mönchengladbacher nun die Chance, sein Können in einem Spitzenteam zu beweisen.

Nach einem sechswöchigen Wettkampf gegen Antonio Pizzonia hatte sich Heidfeld ein Cockpit bei Williams gesichert. Heidfeld selbst weiß, dass dieses Engagement seine große Chance ist – und vielleicht seine einzige. Bislang zumindest scheint ihm der Druck nichts auszumachen. „Ich habe überhaupt noch nicht richtig gecheckt, dass ich jetzt bei einem Spitzenteam bin“, sagt er. „Das kommt wahrscheinlich erst beim ersten Saisonrennen in Melbourne. Bis jetzt bin ich jedenfalls nicht nervöser als sonst.“

Die Belastungen des Wettkampfes gegen Pizzonia haben zwar an ihm gezehrt, wie Heidfeld zugibt: „Ich hoffe nicht, dass sich das im Verlauf der Saison negativ auswirkt.“ Psychisch haben sie aber auf jeden Fall positive Effekte erzielt. Heidfeld wirkt gestärkt. Bislang hielt er sich mit großen Auftritten abseits der Strecke eher zurück, inzwischen lässt er sogar hier und da einen lockeren Spruch fallen. „Ich hatte schon immer ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein“, sagt Heidfeld. „Ich habe es nur nie besonders offensiv zur Schau getragen.“ Dass man bei Williams und beim Motorenpartner BMW aber auch ein repräsentables Auftreten von ihm erwartet, ist Nick Heidfeld bewusst: „Das heißt jedoch nicht, dass ich mich verstellen werde.“ Wiewohl, seine Internetseite hat er der neuen Situation bereits angepasst: Über sein neues Auto erfährt man mehr als über ihn selbst. Verschwunden ist die Möglichkeit, Heidfelds Karrierestationen zu betrachten. Nichts deutet mehr auf frühere Rennen hin, in denen er mit unterlegenem Material meist hinterherfuhr. Die Vermutung liegt nahe, dass hier jemand mit seiner Vergangenheit abschließen will.

Einen kleinen Rückblick auf fünf Jahre Formel 1 gewährt Heidfeld aber doch noch. „Meine Karriere hat mit Sicherheit mehr Höhen und Tiefen gehabt als andere“, erzählt er. „Es hat ein wenig länger gedauert, bis ich oben angekommen bin.“ Wie lange er dort bleiben wird, ist noch unklar. Heidfelds Vertrag endet nach dieser Saison, und Williams hat bereits Interesse daran bekundet, dann einen erneuten Versuch zu unternehmen, den BAR-Piloten Jenson Button zu verpflichten. Noch nicht einmal bis Saisonende mag Teamchef Frank Williams seinem deutschen Fahrer eine Cockpitgarantie geben: „Wenn er uns enttäuscht, dann würden wir Pizzonia zurückholen. Nick weiß das.“ BMW-Motorsportchef Mario Theissen formuliert seine Ansprüche an den neuen Piloten so: „Wir müssen um Siege mitfahren.“ Sollte dies nicht gelingen, könnte Heidfelds Karrierehöhepunkt bald vorüber sein. „Davor habe ich überhaupt keine Angst“, behauptet er. „Ich mache mir lieber Gedanken darum, wie ich etwas noch besser machen kann.“ Schließlich will er der Kiste in seiner Abstellkammer auf absehbare Zeit keinen neuen Inhalt hinzufügen.

Christian Hönicke[München]

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