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Okraschote

© dpa

Nationalmannschaft: Wir können auch anders

Wenn es sein muss, spielt die Nationalmannschaft einfach wie früher: mit Kampfkraft erfolgreich.

Als David Odonkor auf seiner abschweifenden Torbejubelungsrunde die deutsche Trainerbank abklatschenderweise hinter sich gelassen hatte und aufs Spielfeld zurückgekehrt war, drehte Joachim Löw seinen Kopf hoch in die Zuschauerränge des Kölner Stadions und lächelte. Sein Lächeln suchte nicht eine bestimmte Person, sein Lächeln durften alle sehen, nur nicht seine Spieler. Wahrscheinlich. Denn es war nicht irgendein Lächeln, das er lächelte. Es war ein amüsiertes Lächeln, das so viel bedeutete wie, Mensch, wenn der jetzt schon ein Tor schießt, dann … Ja, was? Was, wenn ein nicht mit Talent gesegneter Fußballer wie Odonkor, der noch nie ein Tor für die Nationalelf erzielt hat, plötzlich Tore schießt? Wollte Löw mit seinem Lächeln sagen: Hier mache ich jeden zu einem erfolgreichen Fußballer?

Zum Beispiel Bernd Schneider. Nicht dass der Leverkusener kein guter Fußballer wäre, im Gegenteil, nur ist er in seinem neunten Länderspieljahr nicht gerade als Torjäger aufgefallen. Sein Tor am Mittwochabend gegen Rumänien zum zwischenzeitlichen 1:1, noch dazu mit dem Kopf erzielt, war sein vierter Treffer im 80. (!) Länderspiel. „Ich hätte nicht gedacht, dass er bei uns noch mal ein Kopfballtor macht“, sagte Löw nach dem 3:1. Aber er wäre nicht der scheinbar „Alles-gelingt-ihm“-Bundestrainer, hätte er dafür keine Erklärung. „Der Bernd wollte unbedingt dieses Tor machen, das hat man gesehen, wie er in die Flanke gegangen ist.“ Ja, Bernd Schneider, der sonst die vertikalen Pässe spielt und Flanken schlägt; dieser feine Techniker prescht am Fünfmeterraum des gegnerischen Tores in eine Flanke. Das ist in etwa so, als wenn Horst Hrubesch in den Achtzigern den genialen Regisseur gegeben hätte.

Aber was ist schon normal an der deutschen Elf anno 2007? Als der Bundestrainer nach einer Stunde Odonkor für Schneider auf den Platz schickt, stehen in Arne Friedrich und Lukas Podolski gerade mal zwei Spieler aus dem WM-Halbfinale von vor einem Jahr auf dem Feld (nicht einer mehr vom WM-Finale 2002). Löw kann es sich leisten, eine Mannschaft aufzubieten, die es so vor einem Jahr noch gar nicht gab. Und diese schlägt mal eben die raffinierten Rumänen. Nach der Erkenntnis aus den Siegen von London und Cardiff, wonach das Spielsystem ganz unabhängig von den handelnden Personen funktioniert, konnte sich Löw nun einer anderen Qualität versichern. In der ersten Hälfte waren „wir nicht so kombinationssicher“. Deswegen richtete ein paar wenige Worte in der Halbzeitpause an sein Team. „Es würden uns einige Dinge guttun“, hatte er gesagt. Im Hinterkopf war die Überzeugung: „Wenn wir dranbleiben, kämpfen wir sie nieder.“

Damit hatte Löw auf die Primärtugenden abgezielt, quasi eine altdeutsche Erfindung. Das Spiel der Deutschen wurde physischer. Sie waren präsenter, sie steigerten sich läuferisch, es wurden Zweikämpfe gesucht, kurz, es wurde stressiger für die Rumänen, die das nicht mögen. Bisweilen muss es dem Gegner vorgekommen sein, als spielten die Deutschen mit zwei Bällen. So viel Elan, Power und Leidenschaft war dabei. „Wir haben sie schlussendlich niedergefightet“, sagte Löw. Und Thomas Hitzlsperger befand: „Das ist ein deutliches Ausrufezeichen an andere Mannschaften.“

Es war ein Spiel geworden, wie es David Odonkor entgegenkommt. Es zählten nicht mehr technische Finesse, sondern erdige Dinge. In England habe er schwach gespielt und war mit „einem schlechten Gewissen“ nach Hause gefahren. Er wurde von Löw trotzdem wieder eingeladen und arbeitete im Training gut. „Er ist wieder dynamischer geworden“, sagte Löw. Wenn Odonkor erst einmal ins Rennen kommt, „ist er unwiderstehlich“.

„Ich bin froh, dass ich zu dieser Mannschaft gehöre“, sagte David Odonkor. Als er gefragt wurde, wann er sein letztes Tor erzielt habe, beschrieb der Mann von Betis Sevilla ein Tor, als wäre es gestern gefallen. Damals spielte er noch für Dortmund. Das Tor stammt aus dem November 2005. Odonkor: „Na ja, so oft kommt es ja nicht vor, dass ich ein Tor schieße.“

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