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Schwanger mit Ball. Wout Weghorst.

© imago images/Jan Huebner

Stürmer des VfL Wolfsburg: Wout Weghorst - ein ganz normaler Riese

Der VfL Wolfsburg spielt auch wegen seines großen Stürmers Wout Weghorst eine starke Saison. Der Niederländer überzeugt dabei nicht nur auf dem Platz.

Von Christian Otto

Seine Auftritte abseits des Platzes sehen lustig aus. Wenn sich Wout Weghorst jungen Fans nähert und um Autogramme oder Selfies gebeten wird, beugt sich der 1,97 Meter große Profi ganz weit nach unten. Wie eine gutmütige Giraffe, die sich etwas staksig krümmt und mit Absicht kleiner macht. Hoffentlich bekommt Weghorst wegen solcher Verrenkungen nicht eines Tages schlimme Rückenschmerzen. Denn Typen wie er, die ohne Allüren eine Heldenrolle spielen, sind in der Fußball-Bundesliga selten.

Mit dem treffsicheren Niederländer hat der VfL Wolfsburg einen Musterknaben unter Vertrag. Seine vielen Tore passen irgendwie nicht so richtig mit seiner Bescheidenheit zusammen. Der Riese Weghorst selbst sagt über sich kleinlaut, dass es in vielen Bereichen seines Berufes noch Luft nach oben gibt.

Ein besserer Verein hätte sich im Sommer 2018 für Weghorst kaum finden lassen können. Der Medientrubel beim VfL Wolfsburg hält sich in Grenzen. Der Konkurrenzkampf im Kader wird nicht mit Kratzbürstigkeit und Eitelkeiten ausgetragen. Diese Form von Harmonie ist der Nährboden, mit dem sie in Wolfsburg etwas Neues aufbauen wollen.

Statt teurer Stars auf Talente mit Potenzial zu setzen, könnte sich bezahlt machen. Die Personalie Weghorst dürfte so manch anderem deutschen Verein durchgerutscht sein, weil sie mit einem untypischen Werdegang verbunden ist. Der 27-Jährige hat nie ein Nachwuchsleistungszentrum besucht. Seine Stärken im technischen Bereich sind strenggenommen begrenzt. Aber Weghorst erledigt seinen Job mit einem Ehrgeiz, der verblüfft. „Er ist ein Spieler, der sich für die Mannschaft aufopfert“, sagt VfL-Cheftrainer Oliver Glasner.

An diesem Sonntag, wenn das Heimspiel gegen Werder Bremen (18 Uhr/Sky) ansteht, wird Weghorst wieder sein liebstes Hobby ausüben. Das Anlaufen. Moderne Spielstrategien sehen vor, dass eine Mannschaft ohne Ball möglichst clever im Kollektiv das gegnerische Team anläuft, um es unter Druck zu setzen und Fehler zu erzwingen. Diesen Job erledigt, obwohl das für einen Stürmer nicht immer die schlauste Lösung ist, Weghorst fast im Alleingang. „Er bewegt sich gerne und will ständig den Gegner anlaufen. Am Ende eines Spiels möchte Wout immer ausgepowert sein“, sagt VfL-Geschäftsführer Jörg Schmadtke.

Zehn Tore in 19 Pflichtspielen sind Weghorst in dieser Saison bisher gelungen

Ihm ist der Transfer des Ausnahmekönners von AZ Alkmaar zu verdanken. Er hatte Weghorst vor der Verpflichtung nie live spielen sehen. Schmadtke nutzt die Meinungen von Scouts, Videoaufnahmen und vor allem sein Bauchgefühl. „Jedes Jahr zweistellig: Ich traue Wout eine solche Torquote in der Bundesliga zu“, sagt der VfL-Vordenker. Die Hoffnung, dass an erster Stelle sogar mal eine 2 steht, bleibt mit der Sorge um Begehrlichkeiten verbunden. Denn Weghorst ist mit seiner Spielweise und Kopfballstärke für eine tragende Rolle in der englischen Premier League prädestiniert.

Zehn Tore in 19 Pflichtspielen sind Weghorst in dieser Saison bisher gelungen. Der VfL Wolfsburg ist abhängig von einem, der ständig in Bewegung ist, so gut wie nie wegen einer Verletzung fehlt und sich auf das Wesentliche beschränkt. Nach den Spielen, wenn sich Gel und Schweiß in der Querscheitelfrisur vermischen, könnte Weghorst angesichts dauerhaft guter Leistungen große Töne spucken. Der Lewandowski von Wolfsburg: Über solche Schlagzeilen wundert sich Weghorst allerdings. „Dass ich wichtig für meine Mannschaft bin, ist glaube ich klar“, sagt er frei von Arroganz.

Monatelang musste er auf seine langersehnte Nominierung in die niederländische Nationalmannschaft warten. Andere steigen in solchen Situationen zum Dampfplauderer auf und reden sich um Kopf und Kragen. Weghorst hat brav seine Tore geschossen und geköpft, danach lammfromme Interviews gegeben, um mittlerweile doch mit einer Berufung belohnt worden zu sein.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Perfekt ist der Mann nicht. Wenn der VfL Wolfsburg wieder einmal zu harmlos gespielt und nicht dreifach gepunktet hat, wird aus dem charmanten Weghorst oft ein Stinkstiefel. Der sachliche Stürmer verwandelt sich dann in einen emotionalen Nörgler. Das legt sich aber wieder schnell.

Weghorst ist oft mit seiner kleinen Tochter an der Hand auf dem Weg in die Umkleidekabine zu sehen. Im Frühjahr wird er zum zweiten Mal Vater. Sollte er gegen Werder Bremen wieder ein Tor erzielen, wird der Ball natürlich unter seinen Trikot verschwinden und einen Babybauch imitieren. Ist das dann Quatsch? Eine plumpe Show für das Publikum? Es ist eher schön. Weghorst tritt in einer millionenschweren Branche so normal auf wie ein werdender Papa aus der Kreisliga. Die Kinder in Wolfsburg wissen das längst. Und der Rest der Liga merkt allmählich, was ihm entgangen ist.

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