zum Hauptinhalt

Sport: Young generation

Von Benedikt Voigt London. Schon der musste etwas Besonderes sein.

Von Benedikt Voigt

London. Schon der musste etwas Besonderes sein. Vor 21 Jahren kam die Australierin Cherilyn Hewitt auf der Suche nach einem außergewöhnlichen Vornamen für ihren Sohn auf „Leyton“, doch weil ihr das noch nicht einzigartig genug erschien, fügte sie dem Namen noch ein zweites L hinzu. Auf diese Weise, dachte sie, würde er immer herausragen.

Cherilyn Hewitt sollte Recht behalten, doch das hat mit dem zweiten L nicht mehr viel zu tun. Vielmehr damit, dass sie ihren Erstgeborenen bereits im Alter von vier Jahren auf dem hauseigenen Tenniscourt in Adelaide die ersten Filzbälle über das Netz schlagen ließ. Inzwischen ist Lleyton Hewitt der beste Tennisspieler der Welt, das hat er am Sonntag in Wimbledon mit seinem Finalsieg über David Nalbandian (6:1, 6:3, 6:2) eindrucksvoll unterstrichen. Mit nur 21 Jahren führt er die Weltrangliste nun schon seit November 2001 an, und auch im Champions Race der ATP, in dem nur die Ergebnisse seit Januar gewertet werden, liegt er seit Montag vorn. „Ich glaube, dass Lleyton in Wimbledon viele Jahre lang dominieren kann“, sagte sein unterlegener Finalgegner. Weil Nalbandian auch nur 20 Jahre zählt, war es das jüngste Wimbledon-Finale in der neuesten Geschichte des Turniers. Der Argentinier war der drittjüngste Finalist, der Australier der fünftjüngste. So kam es, dass die Zuschauer auf dem Centre Court in Wimbledon die Gelegenheit zu einem Blick in die Kristallkugel hatten: Sie sahen die Zukunft des Herrentennis.

Wimbledon 2002 stand im Zeichen der neuen Generation. Mit dem Schweizer Xavier Malisse stand ein weiterer 21-Jähriger im Halbfinale, die alte Riege hingegen dankte frühzeitig ab. Andre Agassi (32) verabschiedete sich schon in der zweiten Runde gegen den Thailänder Paradorn Srichaphan, Pete Sampras (30 Jahre) schied ebenfalls in der zweiten Runde gegen den Schweizer George Bastl aus. Die beiden US-Amerikaner, die in den 90er Jahren das Herrentennis mitbestimmt hatten, erleben immer seltener das Ende eines Turniers. Abgesehen von den Australian Open, die Agassi 2000 und 2001 gewann, stand er seit zwei Jahren in keinem Grand-Slam-Finale mehr. Ebenso lange wartet Sampras auf einen Turniersieg. Trotzdem sieht er noch nicht das Ende seiner Karriere gekommen. Der siebenmalige Wimbledonsieger: „Ich habe das Gefühl, noch einen großen Sieg in mir zu haben."

Die Erfolge aber holen inzwischen die Jüngeren. Betrachtet man die ersten elf Spieler des ATP-Champions-Race, ist Andre Agassi der einzige Spieler, der über 30 Jahre alt ist. Dafür drängt die jüngste Generation vehement nach vorne. Hewitt und der Russe Marat Safin (22) führen die Rangliste an, der Schweizer Roger Federer (20) liegt schon auf Platz sechs, der Spanier Juan Carlos Ferrero (22) auf Rang acht, und Nalbandian (20) hat sich durch sein spektakuläres Debüt in Wimbledon auf Rang elf gehievt. Andy Roddick (19) ist noch so ein New Kid On The Court, dem eine große Zukunft vorausgesagt wird. Diese Namen sollte man sich merken, sie werden in den nächsten Jahren das Herrentennis prägen. Hewitt bestätigt das: „Marat Safin ist offensichtlich mein größter Herausforderer, aber es gibt viele junge Spieler, die nachkommen – Federer oder Roddick."

Allerdings erwächst dem Herrentennis aus den Erfolgen der jungen Spieler auch ein Problem. Die Öffentlichkeit kennt ihre Gesichter und Geschichten noch nicht so gut wie die der Etablierten. Ein Endspiel Agassi gegen Sampras hätte dem Tennissport sicherlich mehr Aufmerksamkeit gebracht als das Duell Hewitts mit Nalbandian. Noch gibt es keine über die Jahre gewachsenen Rivalitäten zwischen den Spielern, noch besitzen die Spieler nur ein undeutliches Image. „Es ist immer gut, Persönlichkeiten zu haben – das ist ja der Grund, warum so viele Menschen John McEnroe vermissen“, sagte Hewitt.

Auch Hewitts Image ist noch undeutlich. Auf dem Platz ist der ehemalige Australian-Football-Spieler gelegentlich der Rüpel, der durch emotionales Auftreten versucht, die Gegner einzuschüchtern. „Sie wissen, wenn sie für einen Moment nachlassen, werde ich sie beerdigen“, hat Hewitt einmal gesagt. Jeden wichtigen Punktgewinn im Finale feierte der 1,80 Meter große Australier mit einem lauten Schrei. Von seinem Privatleben aber ist nur wenig bekannt. Seine Freundin ist die belgische Tennisspielerin Kim Clijsters, doch darüber gibt er nur ungern Auskunft. „Abseits des Platzes bin ich schüchtern“, sagte Hewitt, „ich bevorzuge es, im Hintergrund zu bleiben.“ Aus diesem Grund redet er nur gelegentlich mit Journalisten. „Ich werde nicht mit jedem sprechen, das ist nicht gut für mein Tennis“, erklärte Hewitt nach seinem Finalsieg über Nalbandian. In Wimbledon jedenfalls kennen die Zuschauer seinen Namen längst – und das liegt mit Sicherheit nicht an dem zweiten L in seinem Namen.

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false