Sport: Zecke muss es machen
„Hoeneß raus!“, skandieren die Fans.
„Hoeneß raus!“, skandieren die Fans. Gut, aber wer soll denn da nachkommen? Ein Fanklub-Vorsitzender aus Spandau sagt: „Na, eener, der die richtigen Spielertransfers macht, rechnen kann und Hertha aus der Pleite zieht. Vor allem aber muss der endlich wieder Zuschauer heiß aufs Stadion machen können.“ Das Ding ist bloß, dass der Sex-Appeal von Zahlenexperten und Wirtschaftsprofis meist von einer solch geringen Dosis ist, dass es schwierig wird, ganz Berlin mit einer derartigen Hertha-Erotik anzustecken. Ein Mitglied einer schwul-lesbischen Hertha-Fanvereinigung bringt es im Internet auf den Punkt: „Unternehmergeist hin oder her - der neue Manager muss den Laden oversexen: die Spieler aufgeilen, den Trainer aufgeilen, dann kommen automatisch die willigen Fans und das Stadion ist voll.“
Der Manager vom FC St. Pauli, Corny Littmann, scheint diesen Magnetismus zu beherrschen wie kein zweiter. Seine Mannschaft spielt leidenschaftlichen Fußball, ist Aufstiegsfavorit der Regionalliga, hat im DFB-Pokal Hertha und Bremen geschlagen, und die Pauli-Fans bilden seit Jahren eine so genannte Herzenseinheit mit ihrem Verein. Da wurde noch nie gerufen, irgendjemand solle „raus“, schon gar nicht Littmann selbst, denn der lauthals schwule Manager passt ins plakativ politisch korrekte Weltbild der Pauli-Fans und wird jäh zurückgeliebt – selbst im Jahr des Bundesliga-Abstiegs. Maßstäbe unternehmerischer Qualifikation spielen für St.- Pauli-Anhänger keine Rolle. Da zählt Seele. Und das Prinzip leuchtet ein. Die Ohnmächtigen gibt’s in der ersten Reihe bei Madonna, nicht bei Josef Ackermann.
Man sollte meinen, es seien Manager dieser Natur, die sich diejenigen Hertha-Fankollegen so sehnlichst als Ersatz wünschen, die da mit „Hoeneß raus!“-Transparenten wedeln. Ich habe am Mittwoch zwei solcher Spruchbandträger gefragt. Sie meinten, Michael Preetz wäre ein geeigneter Nachfolger.
Wie sexy. Der Preetz. Der einzige Ex-Profifußballer, der es schafft, den massiven Geruch von zu viel Aftershave terrestrisch, per Satellit und via Kabelnetz zu verbreiten. Gegelt, manikürt, krawattiert steht er im schwarz glänzenden Zweireiher da und hebt sich kaum ab von der glatten Premiere-Kulisse. Er lächelt ein bisschen wie Frau von der Leyens großer Bruder, spricht von „Mannschaftsdisziplin“ und einem „sehr positiven Saisonverlauf“ und lauter so soul-mäßigen, saugeilen Sachen.
Ich hingegen schlage Zecke Neuendorf als Hoeneß-Nachfolger vor. Niemand all der bezahlten Herthaner ist so sehr Hertha, Berlin und Fußball wie er. Zecke ist „90 Grad“ und „ooch mal ’n Döner“ zwischendurch, herrlicher Einsatz-Fußball, perfekter Schlenzer und alter, derber Männerwitz. Hohes FanIdentifikationspotenzial. Die Rechenaufgaben kann ja trotzdem der Preetz erledigen. Wahrscheinlich aber wird Zecke nach seiner Profifußballerkarriere keine Lust haben, sich weiter mit Trainern über Einwechslungen zu unterhalten.
Alternativ-Vorschlag: Frank Zander. Der könnte diese staubige, verlebte Man-will-bitte-gar-nicht-mehr-wissen-Gentleman-Erotik eines Rudi Assauer tragen. Mit diesem Pate-mäßigen Blick, auf den sich niemand mehr etwas zu erwidern traut. Wäre vielleicht auch eine Lösung. Eine junge Ehefrau, prämierte Werbung für teures Bier – kriegt der Zander allemal auch hin.
Falko Götz macht übrigens Fernsehwerbung für Lidl. Wirklich! Da ist er dann doch wieder: Herthas Sex-Appeal.
Christian Ulmen, 30, ist Schauspieler und Hertha-Fan. Immer wenn Hertha BSC ein Heimspiel in der Bundesliga hat, erscheint seine Kolumne.
Ein Selbsterfahrungskurs
in 17 Lektionen
Von Christian Ulmen
Ein Selbsterfahrungskursin 17 LektionenVon Christi