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Wegducken lautet die Devise. Albas Spieler wie Bryce Taylor verstecken sich hinter dem Team. Das soll sich gegen Ludwigsburg (20 Uhr, Arena am Ostbahnhof) ändern. Foto: dpa

© picture alliance / dpa

Sport: Zu viel Teamgeist

Von Platz eins ist Alba Berlin in eine Krise gestürzt – alte Erfolgsfaktoren tragen nun zum Misserfolg bei.

Berlin - Der Gast sitzt in der Berliner Halle und schnürt die Basketball-Schuhe. Der Neue ist ein alter Bekannter, der am Mittwoch bei Alba Berlin vorbeischaut: Patrick Femerling. Der Rekordnationalspieler hat bis zum Sommer für die Gelb-Blauen gespielt und seinen Rücktritt offiziell immer noch nicht erklärt. Sollte es ein Comeback des 36-Jährigen geben, wenn auch nur für wenige Wochen? Um auf der Center-Position zu helfen, wo derzeit Yassin Idbihi verletzt fehlt? „Ich will keine Gerüchte anheizen“, sagt Femerling aus 2,15 Metern Höhe und lacht, er sei zum Krafttraining hier. „Ich bin Privatier.“

Gut, dass Femerling das schnell klar stellt, denn das Private kann aktuell bei Alba schnell transferpolitisch werden. Das Team steckt in einer Schaffens- und Wirkenskrise, es wirkt geschafft. Verstärkung könnte es da gut gebrauchen. Nachdem zu Weihnachten Platz eins der Bundesliga erklettert worden war, stürzten die Berliner mit drei Niederlagen in Folge steil herab. Der Vorsprung auf die Plätze fünf bis acht beträgt noch zwei Punkte.

„Es war eine enttäuschende Woche“, sagt Gordon Herbert. Er sei eigentlich kein Fan von Statistiken, sagt der Coach, „aber in den letzten drei Spielen haben wir im Schnitt 89 Gegenpunkte zugelassen, davor waren es knapp 68“. Zu der schlampigeren Defensivarbeit kamen zahlreiche Ballverluste und weniger Rebounds. Zeichen, die auf Müdigkeit und nachlassenden Einsatz schließen lassen.

Die Ausrede, dass die drei Niederlagen in nur sieben Tagen kamen und der Spielplan diese Woche noch zwei weitere Spiele vorsieht, will Herbert nicht gelten lassen. „Kraft ist eine Sache“, sagt der Kanadier, „aber mir hat nicht gefallen, wie wir den Kampf angenommen haben.“ Dass heute der Tabellen-15. Ludwigsburg (20 Uhr) in die Arena am Ostbahnhof kommt und am Sonntag das Schlusslicht Göttingen, beides Gegner der Kategorie „Aufbau“, interessiert Herbert nicht. „Da könnten auch die Boston Celtics oder die Orlando Magic kommen, im Moment müssen wir an uns arbeiten.“

Statt Straftraining gab er am Dienstag frei, um sich selbst und den Profis Zeit zum Nachdenken zu geben. Die nutzten das zu folgenden Erklärungen: „Bei uns haben sich offensiv und defensiv Nachlässigkeiten eingeschlichen“, sagt Kyle Weaver . Das Ermutigende sei, dass es Kleinigkeiten seien, die sich ändern ließen

Der Erfolg kam wohl zu schnell für ein Team, das sich in der Entwicklung sieht. „Durch die Siegesserie hatten wir ein Wohlgefühl, das uns in eine Sicherheit gewogen hat, die wir noch gar nicht haben“, sagt Geschäftsführer Marco Baldi. Als bis Weihnachten 14 von 15 Spielen gewonnen wurden, waren Zusammenhalt und Spielfreude Erfolgsfaktoren. Nun führe der Teamgeist laut Baldi dazu, dass sich die Spieler „hinter der Mannschaft verstecken. Bei uns haben die Spieler durch die Bank nicht mehr die Gier, ihr individuelles Duell gegen den Gegenspieler zu gewinnen und verlassen sich darauf, dass die Teamkameraden es ausbügeln.“

Dazu kommt eine bewusste Schwachstelle: der Kader, der auch aus Sparzwängen dieses Jahr klein gehalten wurde. Da Idbihi noch fehlt und Herbert kaum auf Staiger und Ney setzt, wechseln sich auf dem Feld die gleichen acht Spieler ab. Was im Erfolg zu guter Stimmung und klarer Rollenverteilung führt, wird bei Verletzungen und Formschwankungen, wie zuletzt bei Wood, Weaver, Francis und Taylor, zum Nachteil. Und die Belastung für die, die spielen, wird nicht geringer. „Der Kader ist unter normalen Bedingungen nicht zu klein“, sagt Baldi. Also ohne weitere Verletzungen und mit künftig nur noch zwei Spielen pro Woche statt wie zuletzt drei. Aktuell gebe es jedenfalls keinen Gedanken „noch jemanden zu verpflichten“. Auch nicht Patrick Femerling.

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