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Sport: Zum Titel verteidigt

Mit defensiver Taktik triumphiert Tschechien um Superstar Jagr im Finale der Eishockey-WM

Wien Jaromir Jagr ist nicht unbedingt ein zurückhaltender Mensch. Erst recht nicht, wenn er seinen Beruf als Eishockeyspieler ausübt. Bei der am Sonntag in Wien zu Ende gegangenen Weltmeisterschaft war offensichtlich, dass sich beim Team der Tschechen die Aufmerksamkeit vor allem auf den Mann mit der Nummer 68 konzentrierte. Wann immer Jagr aufs Eis lief, kreischten die tschechischen Fans, und wann immer es möglich war, veranstaltete der zurzeit bestbezahlte Eishockey-Profi der Welt Wirbel um seine Person: Als er sich im Vorrundenspiel gegen Deutschland den kleinen Finger brach, verließ er in theatralischer Manier das Eis, und als er im Halbfinale gegen Schweden von einem Puck an der Schläfe getroffen wurde, blieb er minutenlang regungslos auf dem Eis liegen. Natürlich hat Jagr wenig später weitergespielt und auch am Finale teilgenommen, an dessen Ende er nach dem 3:0-Sieg gegen Titelverteidiger Kanada erstmals in seiner Karriere den Weltmeisterpokal in die Höhe stemmen durfte.

Dass Jagr im Endspiel gegen die Kanadier kein Tor erzielte, war nur ein Schönheitsfehler für ihn. Immerhin hatte er die beiden ersten tschechischen Tore durch Vaclav Prospal (5.) und Martin Rucinsky (43.) vorbereitet. Nach den Stanley-Cup-Siegen von 1991 und 1992, der Meisterschaft in der nordamerikanischen National Hockey-League (NHL) sowie dem Olympiasieg 1998 in Nagano hatte Jagr endlich auch den Titel gewonnen, auf den er seit Jahren vergeblich gewartet hatte. „Ich hoffe, es ist die letzte WM-Medaille für mich“, sagte der 33-Jährige und lächelte. Jeder wusste, was er meinte. Für seine elf Millionen US-Dollar Jahresgehalt will er in Zukunft lieber in der NHL mit den New York Rangers um den Stanley-Cup spielen, anstatt bei der parallel stattfindenen Weltmeisterschaft anzutreten. Doch diesmal, als die NHL aufgrund ihres Arbeitskampfes pausierte, war der WM-Titel der wichtigste des Jahres – auch für Jagr. „Nachdem wir letztes Jahr in Prag im Viertelfinale gescheitert waren, wollte ich unbedingt spielen“, sagte er.

Dass der Sieg in einem undramatischen Finale zustande kam, störte die Tschechen nicht. Entgegen sonstiger Gepflogenheit hatten sie Kanada mit einer wenig spektakulären Defensivtaktik zermürbt. Den elften WM-Titel für Tschechien machte Josef Vasicek 53 Sekunden vor Schluss perfekt, nachdem die Kanadier ihren Torwart zugunsten eines sechsten Feldspielers vom Eis genommen hatten.

Die Kanadier verpassten überraschend ihren 24. Titelgewinn – auch weil sie recht ideenlos gegen die in der Abwehr gut sortierten Tschechen anrannten. „Wir hatten vor dem Tor kein Glück“, sagte ihr Trainer Marc Habscheid: „Wir haben Chancen herausgespielt, sie aber nicht genutzt.“ Die Kanadier scheiterten immer wieder am überragenden Torhüter Tomas Vokoun, der auch als bester Torwart des Turniers von Österreich ausgezeichnet wurde. „Wir sind auf einen heißen Goalie gestoßen“, sagte Jungstar Rick Nash. Der 19 Jahre alte Stürmer, zuletzt beim HC Davos aktiv, wurde mit neun Treffern WM-Torschützenkönig. Nash und seine Sturmkollegen Joe Thornton und Simon Gagne blieben gegen die defensivstarken Tschechen erstmals ohne Erfolg. Zuvor hatten sie im Turnier 18 Tore für Kanada erzielt. „Mit ein bisschen mehr Glück wäre es anders ausgegangen“, sagte Thornton. „Aber ich bin auch mit Silber zufrieden. Es war ein Meilenstein meiner Karriere.“

Für einen von Thorntons tschechischen Gegenspielern war der Sonntagabend von Wien dagegen ein Höhepunkt seiner Karriere: Für Jaromir Jagr, der sich gestern auf einer Bühne auf dem zentralen Platz in Prag, dem Altstädter Ring, von über 30 000 Menschen feiern ließ. In Sprechchören forderten die Fans Nationaltrainer Vladimir Ruzicka sogar zu einer Vertragsverlängerung auf. Vergeblich. Ruzicka will künftig das Erstliga-Team von Slavia Prag betreuen. Tsp

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