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Hüpf und hurra! Lewis Hamilton konnte sich unverhofft über einen Sieg in Hockenheim freuen. Auf dem Weg dahin machte er sein Team durch Chaos an der Boxengasse ganz schön nervös.

© AFP

Formel 1 in Hockenheim: Zurück auf der Strecke zum Titel

Weltmeister Lewis Hamilton demonstriert in Hockenheim Stärke, während sich Sebastian Vettel stark reden muss.

Von David Joram

Lewis Hamilton hatte es mal wieder eilig. Die letzten Meter ins Mercedes-Basislager hinter der Boxengasse joggte er, hin zur wartenden Zeitungsmeute, die allerhand von ihm wissen wollte: Was dieser Sieg beim Großen Preis von Deutschland nun bedeute; ob sein großer Rivale in der Formel-1-Weltmeisterschaft, Sebastian Vettel, sich wegen Hamiltons Aufholjagd entscheidend verfahren hätte; warum er schon Richtung Box abgebogen war, um dann doch auf der Strecke zu bleiben; und vor allem, ob er wegen des eigentlich nicht zulässigen Zickzackkurses in Runde 53 noch den Sieg aberkannt bekäme.

Vieles schien ungeklärt, unübersichtlich. Es lag an Lewis Hamilton, 33, für Klarheit zu sorgen. Bevor Mercedes’ Toppilot all die Fragen an sich ran ließ, setzte er unter seiner weißen Mercedes-Mütze also ein breites Grinsen auf und drückte sich gemütlich in den ihm zugewiesenen Sitz. Dann sagte er: „Er wird mir nicht genommen. Die Entscheidung wird bald bekanntgegeben.“

Das taten die Rennkommissare auch, lediglich eine Verwarnung richteten sie gegen den Briten. Der hatte zwar in jener 53. Runde sein Auto erst in die Einfahrt zur Boxengasse gelenkt und vor Erreichen dieser wieder zurück auf die Strecke; die Richter werteten diesen Fauxpas aber als mildes Vergehen. Theoretisch hätten sie Hamilton auch eine Fünf- oder Zehnsekundenstrafe aufbrummen können; Platz eins wäre dann nachträglich an Hamiltons Teamkollegen Valtteri Bottas vergeben worden.

Hamiltons Inszenierung geriet hernach zum Kinderspiel

So aber durfte Hamilton gewohnt tief in die Pathos-Kiste greifen – und kramte daraus ganz rührende Sätze hervor: „Für mich war es der emotionalste Tag überhaupt, mit Höhen und Tiefen.“ – „So ein Rennen habe ich noch nie erlebt.“ – „Das Auto war heute so fantastisch, ich hätte nie gedacht, dass so etwas möglich ist.“

So etwas, das hieß in Hamiltons Fall: Starten auf Platz 14, ein Auto nach dem anderen kassieren, trotz nasser Strecke auf Trockenreifen stabil bleiben – und ganz am Ende vom Siegertreppchen winken. Dass nebenbei Sebastian Vettel einen Fahrfehler fabrizierte und leer ausging, passte ins Bild. Während alles im Niederschlag von Hockenheim unterzugehen drohte, behielt Hamilton den Durchblick und entschied das Rennen am Ende für sich.

Die Inszenierung, die Hamilton wie kein zweiter Fahrer beherrscht, geriet hernach zum Kinderspiel. Weil Hamilton alles ganz einfach aussehen lassen kann, in Fragerunden – aber auch auf der Strecke. Mühelos arbeitete er sich in den ersten elf Runden von weit hinten nach vorne durch, bis auf Rang sechs zunächst. Sicher, er fuhr an den meisten mit einem Auto vorbei, das den Williams', Saubers, Renaults oder McLarens dieses Sports hoch überlegen ist. Aber er machte eben auch keine Fehler, überholte smart, kontaktlos. Bei Tempo 300 die Übersicht zu behalten, klar zu bleiben, konzentriert, fokussiert – all das schaffte Hamilton an diesem Tag.

Auch in jener 53. Runde. Ein paar verwirrende Mercedes-Funksprüche erreichten Hamilton, erst hieß es „Box, Box!“, dann draußen bleiben, plötzlich wieder reinkommen. Ein Chaos, gab Mercedes’ Motorsport-Chef Toto Wolff später zu. „Es war sehr konfus in diesen zweieinhalb Sekunden“, sagte Hamilton, „rein, raus, rechts, links“. Ruhig sei er geblieben in dieser Sequenz, und das, obwohl er statt über den Asphalt plötzlich übers Gras fuhr. Ein holpriger Kontrast zu dem glatten Asphalt, auf dem er sonst unterwegs ist. Hamilton war’s egal, er lachte nach dem Rennen, als er das Durcheinander beschrieb. Intuitiv hatte er ja richtig entschieden, auf die an die Box per Funk übermittelte Frage („Kann ich jetzt auf der Strecke bleiben?“) selbst die richtige Antwort gegeben („Ich bleibe!“). Weil er blieb und alle anderen an die Box fuhren, fand sich Hamilton in der Schlussphase plötzlich an der Spitze des Feldes wieder. Und da ihn Bottas nicht mehr attackieren durfte, gab’s für den 44. Sieg im Mercedes ein paar herzliche Glückwünsche von Firmenboss Dieter Zetsche. Hamilton konstatierte: „Es macht so viel mehr Spaß von hinten nach vorne zu fahren, als das Rennen von vorne zu beginnen.“ Er hätte hinzufügen können: Von vorne zu fahren – und das Rennen auch noch zu verlieren. So hatte es Sebastian Vettel gemacht, der – anders als Hamilton – keine Konflikte lösen musste und trotzdem ins Kiesbett rollte.

Aber Hamilton, mit 17 Punkten Vorsprung wieder Führender der Gesamtwertung, sparte sich hämische Kommentare. Während Ferrari-Fahrer Vettel trotz vorheriger Schwäche Stärke demonstrieren musste („Wir können zuversichtlicher sein als alle anderen...“), blieb der Mercedes-Mann in starken Stunden bescheiden: „Ich bin einfach so dankbar für die harte Arbeit, die das Team geleistet hat und hoffentlich bestätigt dies ihren Glauben an mich.... und für diejenigen, die mich noch nicht kannten, jetzt tun sie es.“

Der Weltmeister hatte gesprochen, die wichtigsten Ansagen aber in sein Rennen gepackt. Wer so klar fährt, darf danach auch blumig reden.

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