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Stefan Elbel, Fachgebiet Wärmeübertragung an der TU Berlin

© Christian Kielmann

„Die Messlatte muss hoch liegen“: Innovationen in der Wärmeübertragung

Nachhaltig heizen und kühlen: Stefan Elbel von der TU Berlin erklärt, wie innovative Arbeitsfluide zur Kühlung und Wärmeerzeugung beitragen.

Von Patricia Pätzold

Stand:

Professor Elbel, das Thema Heizen erhitzt auch die Gemüter. Nun ist der Umsatz von Wärmepumpen um die Hälfte eingebrochen. Ist der Hype vorbei?
Die nachhaltige und klimaneutrale Wärme- und Kälteversorgung wird uns als Riesenaufgabe erhalten bleiben. Ich glaube, dass sich der Absatz von klimafreundlichen Wärmepumpen, der auch mit der Förderung zusammenhängt, auf einem normalen Niveau einpendeln wird. Die nachhaltigste Lösung ist leider nicht immer die billigste.

Sie forschen an umweltverträglichen Heiz- und Kühlkonzepten. Auch in den USA haben Sie gelehrt sowie in der Wirtschaft gearbeitet. Dort und in Asien gehören Klimaanlagen zum Alltag. Geht die Reise auch bei uns dahin?
Klimaanlagen haben dort einen anderen Stellenwert, auch aufgrund anderer Klimabedingungen. Der Energieverbrauch ist daher geschätzt zwei- bis viermal so hoch wie bei uns. Der Bedarf wird aber auch hier stark von der Entwicklung des Klimawandels abhängen. Denn gerade Ältere und Kranke leiden im Sommer verstärkt unter der Hitze. Doch Kältemittel, speziell die synthetischen, sind in der öffentlichen Wahrnehmung sehr negativ besetzt.

Daher suchen wir nach natürlichen Kältemitteln und umweltneutralen Arbeitsfluiden, sowohl zur Kühlung als auch zur Wärmeerzeugung. Und wir wollen für noch effizientere Energiewandlung verstärkt Abwärme nutzen, zum Beispiel aus Privathaushalten und Industrie. Diese wertvolle Ressource wird bisher oft verschwendet.

Welche Innovationen hat die Forschung dabei im Auge?
Ziel ist die Steigerung der Effizienz. Doch die Technologie ist komplex, die einzuhaltenden Standards werden immer anspruchsvoller. Jede zusätzliche Steigerung ist ungleich schwieriger zu erreichen als die vorherige, weil die Anlagen ja schon besser geworden sind.

Viel Luft nach oben ist aber auch bei der Implementierung natürlicher Arbeitsfluide in die Systeme. In den 1990er-Jahren wurden ozonschädigende Kältemittel verboten, die Ersatzmittel forcierten aber weiterhin den Treibhauseffekt. Das aktuelle Mittel R1234yf, das zum Beispiel im Auto verwendet wird, hat zwar wenig Treibhauspotenzial, doch die Zerfallsprodukte, die beim Abbau vieler Hydro-Fluor-Olefine, HFO, entstehen, betrachte ich mit Sorge. Durch feinstes Mikroplastik belasten sie den natürlichen Wasserkreislauf. Das detailliert nachzuweisen kann viele Jahre, sogar Jahrzehnte dauern.

Was kommt dann in Frage?
Kohlendioxid, Ammoniak, Propan oder Isobutan und andere Gase, die in der Natur, in der Atmosphäre vorkommen. Damit kann unser Körper umgehen, die Gefahrenpotenziale dieser Verbindungen sind uns gut bekannt. Einige davon sind allerdings sehr brennbar und daher nicht in größeren Mengen im Privatbereich anwendbar. Für eine sicherere Technologie müssen wir also die Geräte so auslegen, dass diese potenziell gefährlichen Mittel nur in ganz kleinen Mengen eingesetzt werden müssen.

Ist die Wärmewende, die klimaneutrale Wärmeversorgung von Wohn- und Industriegebäuden, bis 2045 realistisch?
Das ist sicher nicht zu 100 Prozent umsetzbar. Aber die Messlatte muss zunächst hoch liegen, um Druck aufzubauen. Wenn wir klimaneutrale Wärme wollen, müssen wir von Erdöl und Erdgas loskommen, die Anlagen elektrifizieren. Beim Neubau wird das bereits mit modernen Technologien umgesetzt. Dort wird es sich langfristig durchsetzen.

Ingenieur*innen können einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen die Klimakrise leisten.

Stefan Elbel, Fachgebiet Wärmeübertragung an der TU Berlin

Die Bestandsgebäude dagegen müssen umgerüstet werden. Das ist sehr teuer, weil wir einen sehr großflächigen Bestand haben. Man muss dabei auch zwischen Privatnutzung und Industrie unterscheiden. Momentan sehen wir ein starkes Interesse für Großanlagen mit Hunderten von Kilowatt, um Fernwärmenetze mit nachhaltigen großen Wärmepumpen zu versorgen. Die Industrie kann rationaler vorgehen und langfristig investieren, dem privaten Anwender fehlt dafür das kurzfristige Investitionskapital.

Wärmepumpen brauchen viel Strom. Wiegt das nicht ihren Vorteil gegenüber fossilen Brennstoffen auf?
Wenn bei der Stromerzeugung alles beim Alten bliebe, hätten wir in der Tat nichts gewonnen. Der Strom muss langfristig aus erneuerbaren Energien kommen. Solar- und Windenergie werden sich da durchsetzen. Sie sind auch finanziell effektiver als die Nuklear-Energie, die bei Sicherheit und Wartung hohe Kosten verursacht, von dem ungelösten Entsorgungsproblem ganz abgesehen.

Was geben Sie den Ingenieurinnen und Ingenieuren der Zukunft mit?
Ich möchte sie für das Innovationspotenzial begeistern, das die etablierten Technologien findigen Ingenieurinnen und Ingenieuren bieten. Sie können damit einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen die Klimakrise leisten.

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