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Geschichte der Ingenieurswissenschaften: Ideen zum Nutzen der Gesellschaft
Die Technikhistorikerin Heike Weber wirft einen Blick auf die Historie der Ingenieurwissenschaften an der TU Berlin.
Stand:
Im Jahr 1879 aus einem Zusammenschluss von Gewerbeakademie und Bauakademie hervorgegangen, gehörte die TH, die „Königlich Technische Hochschule zu Berlin“, die Vorgängereinrichtung der TU Berlin, zu den ersten technischen Hochschulen. Am 19. Oktober 1899 verkündeten Kaiser Wilhelm II. und seine Delegation vor nunmehr 125 Jahren im Lichthof der TH Berlin den Erlass, der den technischen Hochschulen Preußens das Promotionsrecht verlieh.
Dieses Recht sorgte für einen enormen Schub in der gesellschaftlichen Anerkennung von technischen Hochschulen, Ingenieurwissenschaften und des Ingenieurberufs. Technisches Wissen wurde nun Teil des universitären Wissenschaftskanons. Seitdem ist es zu einer steten Ausdifferenzierung der Technikwissenschaften gekommen. In Berlin wie andernorts reagierte man mit neuen Lehrstühlen und Forschungszweigen auf den technischen Wandel sowie auf sich ändernde Ansprüche aus Wirtschaft und Gesellschaft.
Im Verlauf des 20. Jahrhunderts hat sich die Rolle von technischen Hochschulen fundamental verändert. Gleiches gilt für die politischen, ökonomischen und hochschulpolitischen Rahmenbedingungen ihres Wirkens. Nicht zuletzt sind die Studierendenzahlen seit den 1970er-Jahren stark gestiegen, ohne dass dem auf Dauer ein gleichwertiger Aufwuchs bei der Ausstattung oder der Zahl der Professorinnen und Professoren gefolgt wäre.
Wie überall, so war und ist der Unibetrieb ohne Drittmittel nicht mehr denkbar. Wie tief sich derartige Engpässe und Abhängigkeiten oder auch die Hochschulrankings und Exzellenzinitiativen des 21. Jahrhunderts in die jüngere Geschichte der technischen Universitäten eingeschrieben haben, ist im Gegensatz zu ihrer Entstehungsgeschichte kaum untersucht.
Für die Entwicklungen an der TU Berlin blieb ihre enge Verflechtung mit der Geschichte Berlins wichtig. Die TH hatte von der Hauptstadtlage profitiert; die TU Berlin war bis 1989 von den spezifischen Konstellationen der Insellage West-Berlins geprägt; im Zuge der Wiedervereinigung und der Berliner Haushaltsentwicklung musste sich die TU mehrfach Sparzwängen stellen, es ergaben sich aber auch Synergien mit der dichten Forschungslandschaft der Metropole.
Die Neugründung der TH als „Technische Universität Berlin“ im Jahr 1946 reagierte auf die zurückliegenden Verstrickungen mit dem NS-Regime. Neuere Studien zur Selbstmobilisierung der Wissenschaft für nationalsozialistische Projekte unterstreichen, dass die TH Berlin als Knotenpunkt im nationalsozialistischen Wissenschaftssystem fungierte, auch angesichts der räumlichen Nähe zur politischen und militärischen Macht.
Die Neugründung wurde als Neuanfang eines Lehrens und Forschens in einer demokratisch verfassten Gesellschaft verstanden. Garant dafür sollte die Weitung der technischen Spezialausbildung hin zu einer „universalen“ Bildung sein. Dazu wurden Geisteswissenschaften integriert, und ein „Humanistisches Studium“ wurde für die Studentinnen und Studenten verpflichtend.
Letzteres scheiterte zwar, doch bilden geisteswissenschaftliche Disziplinen seitdem einen integralen Bestandteil der TU Berlin, die dem Leitgedanken verpflichtet blieb, wissenschaftlich-technisches Forschen und Handeln in Bezug zu gesellschaftlichen Anforderungen zu setzen.
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