
© Kevin Fuchs
Industrielle Transformation: Ein Berliner Forschungscampus für den Wandel
Unternehmen müssen sich ständig verändern – das Werner-von-Siemens Centre for Industry and Science hilft ihnen dabei.
Stand:
Als gemeinnütziger Verein wurde das Werner-von-Siemens Centre for Industry and Science e. V. (WvSC) 2019 von der Siemens AG, der Technischen Universität Berlin, der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) sowie der Fraunhofer Gesellschaft gegründet.
Heute entwickeln in dem neuen Stadtquartier „Siemensstadt Square“ Industrie, Forschung, kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie Start-ups Lösungen für die industrielle Transformation.
Dazu gehören technische Entwicklungen ebenso wie Bildungsangebote zu technologischen und sozialen Kompetenzen. Ziel ist es, Unternehmen fit zu machen für den notwendigen Wandel – sei es in Bezug auf nachhaltige Entwicklung, zunehmende Globalisierung, technologische Veränderungen, geopolitische Herausforderungen, veränderte Kundenbedürfnisse oder den Fachkräftemangel.
Gestartet ist das WvSC mit drei Projekten, die teils noch heute laufen, und bei denen 3D-Druck und allgemein additive Fertigung (AM) eine große Rolle spielen: Bei „MRO“ wird eine automatisierte Instandhaltung von Gasturbinen entwickelt, bei der die Turbinen auch auf den Betrieb mit Wasserstoff vorbereitet werden sollen.
Im Projekt „EA“ geht es um die Fertigung großer elektrischer Antriebe und bei „HTA“ um Hochtemperaturanwendungen, etwa die Fertigung von Komponenten für Brennkammern. Gefördert werden alle drei Projekte vom Land Berlin und der Europäischen Union.
Seit Gründung ist der Verein stetig gewachsen – insgesamt sind etwa 750 Menschen im Netzwerk des WvSC miteinander verbunden. In Zusammenarbeit mit der TU Berlin wurden zudem zwei neue Professuren geschaffen. Alle Mitglieder eint das Interesse an innovativen Technologien wie 5G/6G-Anwendungen, Künstlicher Intelligenz (KI), Robotik, additiver Fertigung oder virtueller und erweiterter Realität.
Im „Experience Centre for Industrial Transformation“ des WvSC werden Technologien in realen industriellen Infrastrukturen getestet und optimiert.
Einige Werkzeuge dieses Testraums sowie die beiden neuen Professuren stellen wir Ihnen hier vor. An allen genannten Projekten ist die TU Berlin – meist neben vielen weiteren Partnern – beteiligt.
Bauteile aus Metallpulver

© Kevin Fuchs
Wie geworfene Schneebälle an einer Wand hängenbleiben, so baut die Cold-Spray-Anlage Bauteile Schritt für Schritt aus Metallpulver auf. Dieses wird, vermischt mit einem 1.100°C heißen Trägergas, von einer Düse mit Überschallgeschwindigkeit verschossen. Der Vorteil gegenüber anderen additiven Fertigungsverfahren: Das Material muss nicht durch einen Laser aufgeschmolzen werden.
Zudem kann die Düse vom Roboterarm in jede Stellung bewegt werden, was komplexe Geometrien ermöglicht. Genutzt wird die Anlage unter anderem vom Projekt „ProFIT Add Gleis“. Es will den Leichtbau bei der Konstruktion von Schienenfahrzeugen mit Hilfe von additiver Fertigung weiterentwickeln.
Für MINT begeistern

© Kevin Fuchs
3D-Modelle, die Teilnehmerinnen des Clusters „MINT-Heldinnen“ selber entworfen und gedruckt haben. So sollen insbesondere Mädchen und junge Frauen für Berufe im Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik begeistern.
Drehmaschine in der Experimentierhalle

© KevinFuchs
Eine von mehreren Werkzeugmaschinen in der Experimentierhalle ist diese Drehmaschine. In der Produktion von Siemens wurden mit ihr früher Zusatzteile für große elektrische Antriebe, beispielsweise für Kreuzfahrtschiffe, hergestellt – mit einer Genauigkeit von fünf Mikrometern.
Heute wird sie unter anderem im Projekt „Handbuch2AR“ genutzt: Dort entsteht ein Handbuch der Maschine, das auf Augmented-Reality-Technik (AR) basiert. Damit sollen Betriebs- und Wartungsmitarbeitende in jeder Situation sofort auf alle relevanten Informationen zugreifen können.
Gasturbine

© Kevin Fuchs
3D-Modell einer Düse für Gasturbinen aus dem Projekt „Hochtemperaturanwendungen“ (HTA). Sie dient auch als Anschauungsobjekt für eine berufsbegleitende Weiterbildung zum Experten für additive Fertigung am WvSC. Dieses interaktive Weiterbildungsprogramm „Xpert4AM“ besteht aus Modulen für Design, Prozesse und Materialien und nutzt Virtual und Augmented Reality sowie Praxiswerkstätten.
Die vierte Dimension im 3D-Druck
Beim 3D-Druck schmilzt oft ein Laser ein Pulver an bestimmten Stellen auf, sodass schließlich Schicht für Schicht ein komplexes Werkstück entsteht. Beim „Laserauftragschweißen“ können sogar ganz unterschiedliche Materialien zusammen ein Werkstück aufbauen, wobei das jeweils gewünschte Material erst kurz vor dem Aufschmelzen durch den Laser etwa als Pulver-Gas-Gemisch aufgesprüht wird.
„So lassen sich direkt bei der Formgebung an unterschiedlichen Stellen des Werkstücks ganz unterschiedliche Material- und Oberflächeneigenschaften einstellen, und zwar von der atomaren Zusammensetzung bis hin zu Veränderungen in der Kornstruktur des Materials“, sagt Christian Haase, wissenschaftlicher Leiter der „Zentraleinrichtung 3D Technologien“ der TU Berlin und Leiter des Fachgebiets Werkstoffe für die Additive Fertigung, das in Kooperation mit dem WvSC an der TU Berlin neu gegründet wurde. Er wird in Zukunft diese Vielfalt erforschen, die die Fachwelt auch als vierte Dimension im 3D-Druck bezeichnet.
Mit den Augen der KI
Hanno Gottschalk an einem Fahrsimulator seines Fachgebiets – „Mathematische Modellierung von industriellen Lebenszyklen“ – an der TU Berlin. Hier kann man mit den Augen einer Künstlichen Intelligenz (KI) durch eine Stadt fahren. Eine zweite Person bekommt parallel dazu die echten Szenen zu sehen – die hier von einer herkömmlichen Fahrsimulationssoftware stammen.

© Kevin Fuchs
Erkennt die KI bestimmte kritische Szenen nicht, etwa Fußgänger auf der Fahrbahn, führt dies zu einem gefährlichen Fahrverhalten. Die zweite Person bemerkt dies und kann so der KI wichtige, für ihr Training benötigte Hinweise geben.
In seiner neu geschaffenen Professur in Zusammenarbeit mit dem WvSC beschäftigt sich Hanno Gottschalk zudem im Projekt „ProFIT HTA Phase 2“ unter anderem mit der Ausfallwahrscheinlichkeit von mechanischen Teilen, die mit 3D-Druck hergestellt werden. „In meiner Arbeit versuche ich, bei den technischen Problemen Aspekte zu finden, die sich mathematisch exakt formulieren lassen“, so Gottschalk.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: