
© MICHAEL SETZPFANDT
Interview mit Automotive-Expertin: „Wir müssen an die Lkw ran“
Gemeinsam mit Industriepartnern hat Stefanie Marker die erste automatische Batteriewechselstation für E-Lkw in Europa entwickelt. Seit 2023 ist sie in Betrieb.
Stand:
Stefanie Marker, die Elektrifizierung des Lkw-Verkehrs ist Ihre Mission. Was treibt Sie an?
Der Straßengüterverkehr wächst und die meisten Lkw fahren immer noch mit Diesel. Sie verursachen rund zehn Prozent der globalen CO₂-Emissionen. Das ist ein richtig großer Hebel, an dem wir mit unserer Forschung ansetzen wollten. Zum Start unseres ersten Projekts „eHaul“ 2020 war im Schwerlast- und Fernverkehr kein einziger E-Truck auf europäischen Straßen. Das Angebot für den Transport auf der Langstrecke war extrem klein. Höchstens eine kleine zweistellige Zahl fuhr in Tests.
Warum springt der Funke der Elektromobilität nicht so einfach auf die rechte Spur über?
Batterieelektrische Lkw schaffen keine längeren Strecken ohne zwischendurch nachladen zu müssen. Und sie werden mit der Batterie so schwer, dass sie nicht mehr voll beladen werden können. Außerdem sind sie noch sehr teuer.
Eine Frage der Reichweite und Kosten also?
Und der Vision und Motivation. Ich war vor Projektstart auf einer Messe mit lauter europäischen Herstellern aus dem Schwerlastbereich. Die haben damals noch gesagt: „40-Tonner mit Batterien? Das ist unmöglich. Der Diesel ist alternativlos!“ Sie haben mich ausgelacht wegen der Idee. Meine Reaktion darauf war: Jetzt erst recht! In China sind außerdem schon länger E-Trucks unterwegs. Es gibt dort zwar andere Voraussetzungen, aber es ist eben technisch möglich.
Nach einiger Überzeugungsarbeit und mit einer Fördersumme von 6,5 Millionen Euro durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz konnten Sie dann starten?
Für das „eHaul“-Projekt haben wir Speditionen gefunden, die großes Interesse an unserem Konzept hatten. Zunächst wurden dafür zwei Diesel-Trucks umgebaut und mit wechselfähigen Batterien ausgestattet. Parallel haben wir die Batteriewechselstation konzipiert und im brandenburgischen Kittlitz aufgebaut.
Was macht gerade den Batteriewechsel anstelle des direkten Aufladens so interessant?
Der Wechselvorgang ist mit einer Dauer von nur zehn Minuten sehr kurz, sodass die E-Lkw schnell wieder auf der Straße sind. Beim herkömmlichen Aufladen hingegen stehen die Fahrzeuge sehr lange. Das ist ein erheblicher Kostenfaktor für die Speditionen. Sie brauchen maximale Mobilität, die sich auch in Zeit bemisst. Außerdem schont der Wechsel die Batterien, denn sie werden nach dem Tausch in der Station langsam wieder aufgeladen. In den seltensten Fällen werden dabei mehr als 90 Kilowatt Netzanschlussleistung abgerufen. Es geht also ohne vorherige Netzertüchtigung.
Es gibt in Deutschland noch sehr wenige Lkw-Schnelllade-Stationen.
Stefanie Marker, TU Berlin
Das ist beim direkten Stromtanken anders?
Zumindest beim Schnellladen. Es gibt in Deutschland noch sehr wenige Lkw-Schnelllade-Stationen, was dem behäbigen Energie-Netzausbau geschuldet ist. Wir stehen hier also noch am Anfang, weswegen das Wechselkonzept eine echte Alternative ist. Zumal es auch als Pufferspeicher genutzt werden kann.
Wie gut funktioniert der Wechsel?
Unsere Wechselstation ist ein Prototyp und funktioniert zuverlässig. An einem planmäßigen Batteriewechsel-Tag finden in der Station drei Wechselvorgänge statt. Die kombinierte Tagesfahrleistung unserer beiden E-Trucks beträgt dann rund 850 Kilometer. Strategien, die Trucks noch intensiver im Mehrschichtbetrieb zu nutzen, sind in Planung.
Der Schritt in die Umsetzung ist also gemacht. Wie geht es jetzt weiter?
Mit „eHaul“ haben wir gezeigt, dass eine automatisierte Batteriewechselstation für schwere E-Lkw inklusive Hard- und Software technisch funktioniert. Das Ganze mündete 2024 in der Ausgründung „eHaul GmbH“. Das komplette Daten- und Lademanagement und die Batterielogistik laufen hier zusammen. Es gibt jedoch noch viel zu tun, denn wir haben mit zwei baugleichen Lkw und identischen Batteriesätzen gearbeitet. In der Realität verwenden Hersteller aber viele unterschiedliche Batterietypen.
Die nächste Herausforderung sind die Batteriestandards?
Genau. Das war aber von Anfang an klar. Und hier setzen wir parallel mit dem Projekt „UniSwapHD“ an. Darin widmen wir uns der Entwicklung einer sogenannten DIN-SPEC für E-Truck-Batterien. Das ist die Vorstufe einer DIN-Norm. Die erarbeiten wir gemeinsam mit den europäischen Lkw-Herstellern, dem Deutschen Institut für Normung DIN und unseren Partnern. Es ist ein Fahrplan für die Mobilität der Zukunft.
Sie haben die Lkw-Hersteller also am Ende überzeugt?
Wir arbeiten daran. Da ist viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Das gehört eigentlich nicht zu meinem Fach. Und es gibt eine Reihe von Unterauftragnehmern. Sie alle sehen mittlerweile die Notwendigkeit der E-Trucks und der Standardisierung. Seit Projektbeginn hat sich einiges getan im europäischen E-Truck-Segment. Nicht zuletzt auch, weil China auf den europäischen Markt drängt.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: