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Günter Matthias Ziegler ist ein deutscher Mathematiker und Präsident der Freien Universität Berlin.

© Mario Heller/Tagesspiegel/Mario Heller

Präsidentenkolumne von Günter M. Ziegler: Gemeinsame Aufgabe Wissenschaftsfreiheit

Wir müssen über die Zukunft diskutieren! Mein Vorschlag: 2028 wird ein bundesweites Wissenschaftsjahr „Zukünfte der Gesellschaft“.

Von Günter M. Ziegler

Stand:

In welcher Welt, in welchem Staat, in welcher Gesellschaft wollen wir leben? In einer Welt ohne Krieg und ohne Angriffsgefahr? In einer Welt, deren kultureller und wirtschaftlicher Reichtum auf Austausch und dem Abbau von Grenzen beruht? In einer offenen, demokratischen Gesellschaft, mit gemeinsamen Werten, in der die Würde jedes einzelnen Menschen unantastbar ist und im Mittelpunkt steht?

In einem Land, in der die Wissenschaften zentrale Bedeutung haben, weil sie zum Verständnis der Welt beitragen, zum technologischen und sozialen Fortschritt und damit zum ökonomischen und kulturellen Reichtum? Eine Gesellschaft, die nachhaltig plant und handelt: bei der Nutzung von Ressourcen, beim Schutz und Erhalt der Biodiversität, damit ein gutes Leben auch für die nächsten Generationen möglich ist?

Die politische und gesellschaftliche Wirklichkeit des Jahres 2025 zeigt, dass solche grundlegenden Überzeugungen, Vorstellungen und Werte nicht mehr unstrittig sind. Es stellen sich viele Fragen: nach gesellschaftlicher Teilhabe, nach Schutz und Mitbestimmung, nach Leitlinien und Werten für das Handeln.

Welchen Einfluss klassische Medien und Social Media haben können oder sollen, welche Chancen und Risiken Künstliche Intelligenz mit sich bringt, darüber muss sich eine Gesellschaft verständigen. Umweltkrisen wie die Vermüllung der Ozeane und Erderwärmung fordern globale Antworten – doch gibt es eine gemeinsame Weltsicht, in Berlin, Deutschland, Europa und weltweit? Zu diesen Themen hat die Wissenschaft etwas zu sagen, auch die Wissenschaft aus Berlin; die Freie Universität liefert dafür Erkenntnisse und formuliert Standpunkte.

In den vergangenen Monaten haben sich die Spitzen der deutschen Wissenschaftsorganisationen samstagvormittags auf Marktplätze in Sachsen, Thüringen und Brandenburg gestellt, um zuzuhören, Fragen aufzunehmen und über die Rolle der Wissenschaften zu diskutieren. Das war erfolgreich, hat zu wertvollen Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern geführt – und das sollte auch an anderen Orten und in anderen Formen stattfinden.

Die Wissenschaft muss vor die Rathäuser, auf die Plätze der Stadt und in die (sozialen) Medien, muss mit den Menschen sprechen: über die Gesellschaft und wie sie sich diese in der Zukunft vorstellen, über das Gehört- und Gesehenwerden, über das Mitmachen in der Demokratie, über Heimat, über Migration, über Ängste.

Wir brauchen ein Wissenschaftsjahr! Mein Vorschlag: 2028 wird ein bundesweites Wissenschaftsjahr „Zukünfte der Gesellschaft“. Die Initiative kann aus Berlin kommen, von der Freien Universität Berlin und aus der Berliner Hochschullandschaft. Themen des Wissenschaftsjahrs sollten die Gesellschaft und ihre Entwicklung sein, die Vernetzung der Welt, Wasser und Rohstoffe, Energie und Klima. Wir müssen über die Zukunft diskutieren!

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