
© Girls Day
Typisch Mann, typisch Frau?: FU informiert über Berufe jenseits von Klischees
Beim diesjährigen Girls’ Day und Boys ’ Day konnten Schülerinnen und Schüler die Freie Universität Berlin und einige Fächer kennenlernen.
- Kira Mikus
- Lena Gärtner
- Marion Kuka
Stand:
Es herrscht reges Treiben im Physikgebäude der Freien Universität – und das schon um acht Uhr, eine für Studierende frühe Uhrzeit. Heute sind es Schülerinnen, die im Vorlesungssaal gespannt nach vorn blicken. Dort füllt Katharina J. Franke flüssigen Stickstoff nach. Die Professorin für experimentelle Nanophysik und Dekanin des Fachbereichs Physik hat zusammen mit der Studentin Aleph Gonzáles Rodríguez mehrere Experimente vorbereitet. Am Girls’ Day wollen sie und ihr Team Mädchen für Naturwissenschaften begeistern. Also für Fächer, in denen die Mehrheit der Studierenden männlich ist.
„Physik ist überall“, sagt Katharina J. Franke. „Warum fällt eine Achterbahn in einem Looping nicht einfach herunter? Wie funktioniert eine Mikrowelle? Das sind alles physikalische Fragen.“ Kurz darauf rauscht eine kleine Plastikrakete über die Köpfe der Schülerinnen. Begeistert werden Erklärungen dafür zusammengetragen, wie nur durch Luft und Wasser ein Antrieb entstehen kann. Schon folgen die nächsten Versuche: Mit einem Metalldraht, einem Magneten und einer Batterie wird ein kleiner Motor gebaut und Feuer durch unterschiedliche Salze gelb, rot und grün gefärbt. Sie bringt zwei unverkabelte Leuchtstoffröhren zum Strahlen und eine Gewürzgurke zum Glühen.
Ganz praktische Informationen zum Physikstudium bekommen die Schülerinnen von Elke Müller. Die promovierte Physikerin ist Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte des Fachbereichs Physik und erklärt, dass nach dem Studium die Jobmöglichkeiten vielfältig sind: von Forscherin über Kriminaltechnikerin und Journalistin bis zur Lehrerin. Anschließend stellt Nelly Mouawad, promovierte Astrophysikerin, MINT-oring vor: ein Programm, das über das gesamte Jahr verteilt unterschiedliche Formate für Schülerinnen anbietet, um ihr Interesse an mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern zu fördern.
Beobachten, was passiert
Es geht weiter mit Workshops in kleinen Gruppen. Bei „Eis im Winter und Sommer“ lernen die Schülerinnen mehr zu Extremtemperaturen und Stickstoff. Jetzt dürfen sie auch selbst experimentieren. Vorsichtig werden Rosen in flüssigen Stickstoff getunkt, die sofort gefrieren. Bananen werden durch den flüssigen Stickstoff so fest, dass die Mädchen sie nur mit viel Kraft und mit einem Hammer zerschlagen können. Aufgepustete Ballons ziehen sich im flüssigen Stickstoffbad zusammen und breiten sich wieder aus, sobald sie herausgenommen werden. Bevor es nach Hause geht, wird es süß: Mithilfe des schon bekannten flüssigen Stickstoffs stellen die Schülerinnen Speiseeis her.
Auch im Gebäude der Pflanzenphysiologie der Freien Universität ist am Morgen viel los: Rund 100 Schülerinnen haben sich am Girls’Day für Kurse am Fachbereich Biologie, Chemie, Pharmazie angemeldet. Im großen Hörsaal stellen der Chemieprofessor Mathias Christmann und Elke Zippel, Leiterin der Dahlemer Saatgutbank am Botanischen Garten, den Fachbereich und seine Einrichtungen vor. Anschließend starten die Teilnehmerinnen in den praktischen Teil des Tages.
Hanna, Charlotte und Rosi haben sich für den Kurs „Schrumpfende und wachsende Gele – Chemie der smarten Materialien“ entschieden. Im Labor schickt Doktorand Willi Rohland ein bisschen Theorie vorweg: „Wo begegnen euch Gele im Alltag?“, fragt er.
Wackelpudding, Haargel, Duschgel – die Schülerinnen zählen Beispiele auf. Auch in Kontaktlinsen und Pflastern kommen sie vor. Aber was genau sind Gele? „Stellt euch vor, ihr habt viele einzelne Perlen, die Monomere. Damit könnt ihr nicht viel anfangen. Wenn ihr sie aber auf eine Schnur fädelt, entstehen Polymere, die eine Funktion erfüllen, etwa als Armband.“ Verbindet man viele solcher Ketten zu einem großen Netzwerk, entstehen Gele, erklärt er.
Beobachten, was genau passiert – das ist ein wichtiger Teil der Wissenschaft
Otto Staudhammer, Doktorand
„Und genau das machen wir jetzt.“ Die Schülerinnen mischen zwei Lösungen, PVA und Borax, und rühren diese mit einem Spatel um. „Beobachtet genau, was passiert – das ist ein wichtiger Teil der Wissenschaft“, betont Doktorand Otto Staudhammer. Mit Lebensmittelfarben färben sie ihre Gele ein. Zwei Schülerinnen greifen versehentlich zu den bunten Algen, die eigentlich für den nächsten Versuch gedacht waren. Ihr Gel schäumt beim Umrühren und wird fester als das der anderen. „Solche Fehler passieren in der Forschung gar nicht so selten“, sagt Willi Rohland. „Manchmal führen sie zu großen Entdeckungen. Wir beobachten, was passiert, und überlegen, welchen Nutzen wir daraus ziehen können.“
Tüfteln im Team
Ein paar Hundert Meter weiter, in der Silberlaube an der Habelschwerdter Allee, dreht sich alles um die Frage: Wie wird man eigentlich Grundschullehrer? Der Boys’Day soll nicht nur Orientierung bieten, sondern auch einen Beitrag zu einem ausgewogeneren Geschlechterverhältnis in der Bildung leisten. Deshalb beteiligt sich der Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie bereits zum dritten Mal an der bundesweiten Aktion, um mehr Jungen für das Grundschullehramt zu gewinnen.
Nach der Begrüßung durch Alexander Ruwisch, den Leiter des Studienbüros für den Bachelorstudiengang Grundschul- und Sonderpädagogik, und einer ersten Vorstellung durch Pauline, eine Studentin der Sonderpädagogik, wird schnell klar: Studieren heißt vor allem, selbstständig zu arbeiten und Verantwortung zu übernehmen. „Studieren ist nicht so viel anders als Schule, außer, dass ihr mehr selbst entscheiden dürft“, erklärt Pauline.
In der Zukunftswerkstatt mit Gisela Romain, der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten des Fachbereichs Erziehungswissenschaft und Psychologie, ist Kreativität gefragt: Was läuft gut an der Schule? Was nervt? Und wie wäre es, wenn man seine Traumschule einfach herbeizaubern könnte?
Baumhaus bauen, „Wissensspritze“
Die Ideen der Schüler reichen vom Unterricht im Baumhaus über mehr Gruppenarbeit bis hin zur „Wissensspritze“ beim Vokabellernen. Einige Schüler äußern das Gefühl, zu wenig mitbestimmen zu können. Romain ermutigt die Schüler, die eigenen Ideen ernst zu nehmen und aktiv in den Schulalltag einzubringen: „Schaut mal ins Schulgesetz, ihr habt mehr Rechte, als ihr denkt!“
Danach wird es praktisch: In der Lernwerkstatt für Sachunterricht bauen die Schüler unter Anleitung von Nadia Madany Mamlouk eine Murmelbahn. Im Mittelpunkt steht das Tüfteln im Team. Am Nachmittag geht es mit zwei weiteren Schnupperstunden weiter.
Und was bleibt von diesem Tag? Für manche vielleicht eine echte Perspektive: Der 14-jährige Hanno kann sich gut vorstellen, Deutschlehrer zu werden: „Deutsch ist mein Lieblingsfach, und ich lese gerne.“ Maxi, zwölf Jahre, würde am liebsten Gesellschaftswissenschaften, kurz Gewi, unterrichten: „Ich habe die beste Arbeit der Klasse geschrieben – über das alte Rom.“ Ihre Vorstellung vom Studieren drücken die Schüler aus, indem sie ein Blatt Papier falten: Ein Papierflieger, ein gefaltetes Buch – oder eine Blume, „weil man sich im Studium entfalten kann“.
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