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Was kommt in den Futtertrog?: Tierernährung nachhaltiger gestalten
Forschende an der Freien Universität wollen Tierernährung, Pflanzenproduktion und Umweltschutz verbinden.
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Hitze, Trockenheit, Starkregen – die Folgen des Klimawandels treffen die Landwirtschaft längst. Felder vertrocknen, Ernten fallen aus. Die Tierhaltung verschärft das Problem: Wiederkäuer stoßen beim Verdauen Methan aus, Düngung setzt Lachgas frei – beides trägt zur Erderwärmung bei. Gleichzeitig bezieht Europa erhebliche Mengen Soja, dessen Anbau in Südamerika große Flächen beansprucht.
Dabei gehen wertvolle Kohlendioxid-Speicher verloren, und durch die langen Transportwege entstehen zusätzliche Emissionen. Aus der Sojabohne werden einerseits Nahrungsmittel für den Menschen, unter anderem auch Sojaöl, gewonnen. Der eiweißreiche Rückstand nach der Ölgewinnung wird für die Ernährung von lebensmittelliefernden Tieren, also Schweinen, Geflügel und Rindern verwendet.
Prototypen für Futtermittel
Es entsteht ein problematischer Kreislauf: Die Tierfütterung belastet das Klima, während Hitze und Trockenheit in vielen europäischen Regionen die Produktion von Futtermittel erschweren und die Abhängigkeit von Importen verstärken. Hier setzt das Forschungsprojekt NUTRIFEEDS an.
In den kommenden vier Jahren entwickeln 15 Partnerinstitutionen aus Europa und China Verfahren und Prototypen für hochwertige, eiweißreiche Futtermittel. Ziel ist eine nachhaltigere Landwirtschaft – mit weniger Umweltschäden, größerer biologischer Vielfalt sowie gesünderen Böden und geschlossenen Nährstoffkreisläufen. Im Vordergrund der Forschungsaktivitäten stehen auch die Tiergesundheit und damit verbunden das Wohlbefinden der Tiere.
Die Europäische Kommission fördert NUTRIFEEDS mit insgesamt knapp sieben Millionen Euro. Koordiniert wird das Projekt von Jürgen Zentek vom Institut für Tierernährung der Freien Universität Berlin. „Unser Ziel ist es, Ressourcen in der Tierhaltung so einzusetzen, dass sie ein klimaangepasstes und widerstandsfähiges Ernährungssystem unterstützen“, erklärt der Professor für Tierernährung. „Dafür entwickeln wir Lösungen für die Herausforderungen, die wir für die Ernährungssicherheit der Zukunft benötigen.“
Mehrwert Waldweidesystem
Ein Ansatz ist das Agroforst- oder Waldweidesystem, das Bäume, Pflanzen und Tierhaltung kombiniert. Im Vergleich zu herkömmlichen Weiden, die der Witterung schutzlos ausgesetzt sind, bietet das Waldweidesystem einen hohen ökologischen Mehrwert. Die Gehölze schützen vor Austrocknung und halten das Wasser in den Böden. Trockenresistente Pflanzen wie Luzerne oder Klee können sich positiv auf Tiere und Böden auswirken.
„Diese Leguminosen tragen an ihren Wurzeln Knöllchenbakterien, mit denen sie Stickstoff aus der Luft in für die Pflanze nutzbare Stickstoffverbindungen umwandeln können“, erklärt Jürgen Zentek. Die Pflanze düngt sich quasi selbst von innen. „Das reduziert den Bedarf an Düngemitteln.“
Die tiefen Wurzeln verbessern den Boden und versorgen nachfolgende Kulturen mit Stickstoff. Zudem liefern sie als Futtermittel wertvolles Protein und viele Vitamine und Mineralstoffe. „In besonders trockenen Gebieten, etwa in Spanien und Portugal, bewirtschaftet man bereits große Flächen auf diese Art. Auch in Deutschland und anderen europäischen Regionen haben sich erste Ansätze in diese Richtung ergeben“, ergänzt Professor Zentek.
Dabei ist es nicht allein wichtig, geeignete Pflanzen auszuwählen, sondern diese auch richtig zu verarbeiten. „Viele Pflanzen sind als Futter ungeeignet, weil sie sogenannte antinutritive Faktoren enthalten, die die Verdauung erschweren oder die Aufnahme von Nährstoffen hemmen“, sagt Zentek. Die Forschenden setzen hier auf Fermentation: einen mikrobiellen Umwandlungsprozess, bei dem Bakterien oder Pilze diese Inhaltsstoffe abbauen und unschädlich machen. Gleichzeitig verbessert sich der Vitamin- und Proteingehalt.
Regionale Schwerpunkte
Das Projekt NUTRIFEEDS vereint Partnerinstitutionen aus ganz Europa – von Finnland bis Portugal, von Dänemark bis Italien. So können Lösungen für unterschiedliche Klimazonen entstehen. Die Universität Neapel beispielsweise erforscht, wie sich die Haltung von Wiederkäuern in besonders trockenen Regionen optimieren lässt. An der Universität Aarhus in Dänemark hingegen steht die Fermentation im Fokus. Durch diese internationale Zusammenarbeit lassen sich Lösungen entwickeln, die sowohl für den Norden als auch für den Süden Europas tragfähig und einsetzbar sind.
Unser Ziel ist es, Ressourcen in der Tierhaltung so einzusetzen, dass sie ein klimaangepasstes und widerstandsfähiges Ernährungssystem unterstützen.
Jürgen Zentek, Professor für Tierernährung und Leiter des Instituts für Tierernährung am Fachbereich Veterinärmedizin der Freien Universität
Eine große Herausforderung bleibt der hohe Anteil an Importfutter. „Im Prinzip verlagern wir derzeit unsere landwirtschaftliche Fläche für Futteranbau nach Südamerika – und transportieren Soja und anderes mit einem riesigen Aufwand hierher“, kritisiert Zentek. Ziel müsse es sein, den Importanteil deutlich zu senken. „Wir sollten uns in der Europäischen Union so weit wie möglich selbst versorgen“, betont er. Das sei zwar schwierig, aber entscheidend für mehr Unabhängigkeit und Klimaschutz.
Für Zentek ist klar: Nachhaltige Tierfütterung ist ein Schlüssel für die Zukunft der Landwirtschaft. „Regenerativ produzierte Futtermittel schützen Umwelt und Klima, verbessern die Tiergesundheit und sichern die Versorgung“, sagt er. NUTRIFEEDS könnte so einen wichtigen Impuls für eine widerstandsfähige und ressourcenschonende Landwirtschaft geben.
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