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Kindersegen: Das Rätsel der 53-fachen Mutter

Sie soll die kinderreichste Mutter in Deutschland gewesen sein. Barbara Stratzmann hat vor mehr als 500 Jahren in Bönnigheim angeblich 53 Kinder zur Welt gebracht. Wahrheit oder Legende?

Bönnigheim - 1498 wurde der Kinderreichtum von Notar Friedrich Deumling aus Wimpfenin als "wahrhaftige Historia" dokumentiert. In dem Protokoll listete die "Schmotzerin", wie die fruchtbare Frau wegen ihres Mädchennamens genannt wurde, ihre 29 Schwangerschaften auf: Dabei gab sie 18 einzelne, fünf Zwillings-, drei Drillings- sowie je eine Sechslings- und Siebenlings-Geburt an. Ein glückliches Beispiel für alle Frauen, die an diesem Wochenende zum Muttertag geehrt werden, ist Barbara Stratzmann jedoch kaum, denn keines ihrer Kinder wurde erwachsen.

Die Streitfrage, ob die 1503 im Alter von 55 Jahren gestorbene Frau tatsächlich so viele Kinder gebären konnte, beschäftigt bis heute viele Menschen. Gynäkologen äußern sich skeptisch, der Historiker Kurt Sartorius ist dagegen von diesem Kinderwunder überzeugt. "Die Dokumente sprechen eine deutliche Sprache", sagt der Bönnigheimer Heimatforscher.

Mediziner vermuten doppelte Gebärmutter

Sartorius führt das spätgotische Tafelbild an der Nordwand der Cyriakus-Kirche in Bönnigheim (Kreis Ludwigsburg) an, das oben die Geburt Christi im Stall von Bethlehem zeigt und unten eine Familie mit 53 Kindern: Links vom Betrachter knien der Vater und 38 Söhne, rechts die Mutter und 15 Töchter. Ein Gedicht preist den Kinderreichtum der Familie Stratzmann. Das Bild verrät allerdings nichts davon, dass die Geburten über 30 bis 35 Jahre verteilt waren und alle Kinder früh starben. 19 von ihnen wurden tot geboren oder starben kurz nach der Geburt, keines sei älter als sieben Jahre geworden, gab die Mutter damals zu Protokoll. Mediziner vermuten heute, dass sie eine doppelte Gebärmutter hatte.

Ein weiteres Dokument des Kindersegens ist in einer Chronik festgehalten: Als Kaiser Maximilian I. bei einem Besuch in Vaihingen an der Enz vom Kinderreichtum der Schwäbin erfuhr, verlangte er 1509 Auskunft darüber. Der Bönnigheimer Stadtschreiber berichtete dem Monarchen vom Fruchtbarkeitswunder der sechs Jahre zuvor gestorbenen Frau. Ein Bericht über den ungewöhnlichen Kindersegen des Ehepaares Stratzmann befindet sich auch in der "Gemmingischen Chronik". Sie wurde gegen Ende des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts von Sebastian Burggraf verfasst, dem früheren Präzeptor und späteren Registrator des Pfalzgrafen Johann der Ältere von Zweibrücken.

Mediziner äußern sich skeptisch zu den 53 Geburten. Bereits vor 17 Jahren zweifelte der Heilbronner Professor Hermann Krieg am "Wunder von Bönnigheim": Unwahrscheinlich sei, dass eine Frau diese Geburten unter den Verhältnissen des Mittelalters überstanden haben soll. Der Ulmer Professor Christian Lauritzen erklärte einst die Ungereimtheiten wie folgt: "Bei Mehrlings-Schwangerschaften können die Früchte in verschiedenen Eihautsäcken heranreifen. Es wurde wiederholt beobachtet, dass einzelne Feten vorzeitig ausgestoßen, andere aber noch weiter ausgetragen werden."

Den Weltrekord hält eine russische Bäuerin

Auch aus heutiger Sicht bestehen Zweifel. "Ich halte das für unwahrscheinlich", sagt Professor Ulrich Karck. Dem Chefarzt der Städtischen Frauenklinik in Stuttgart sind keine Geburten mit mehr als Drillingen ohne Hormonbehandlung bekannt. "Einmal Sechslinge und einmal Siebenlinge halte ich für komisch", betont Karck. Sechslinge kommen laut Statistik unter drei Milliarden Geburten einmal vor, Siebenlinge sind noch seltener.

So unwahrscheinlich der Bönnigheimer Kindersegen auch klingt - er soll noch übertroffen worden sein. Als kinderreichste Frau der Welt gilt eine russische Bäuerin, die im 18. Jahrhundert 69 Kindern geboren haben soll. Ein Frau in Chile, die in den 1990er-Jahren gelebt hat, soll Mutter von 55 Kindern gewesen sein. (Von Wolf Günthner, dpa)

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