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Panorama: Manche Beamtin treibt diese Art des "Mobbing" in den Selbstmord

Im Juli 1997 erschiesst sich eine 24jährige Berliner Polizeimeisterin im Hause ihrer Eltern. Im Abschiedsbrief erhebt sie schwere Vorwürfe gegen Kollegen, schildert wie sie belästigt und geärgert wurde: Mobbing.

Im Juli 1997 erschiesst sich eine 24jährige Berliner Polizeimeisterin im Hause ihrer Eltern. Im Abschiedsbrief erhebt sie schwere Vorwürfe gegen Kollegen, schildert wie sie belästigt und geärgert wurde: Mobbing. Im Februar 1999 erschiesst sich eine 22jährige Münchner Polizeiobermeisterin auf einem Autobahnrastplatz. Einen Brief gibt es nicht, doch gegen einen ihrer Kollegen laufen bereits straf- und dienstrechtliche Ermittlungen wegen sexueller Belästigung. Zudem ist die Wache, auf der die Frau Dienst tat, als frauenfeindlich verrufen.

Die Vorgänge gleichen sich auf bedrückende Weise. Ihre behördliche Aufarbeitung allerdings unterscheidet sich erheblich. In Berlin setzt Polizeipräsident Hagen Saberschinsky in seinem Präsidium eine polizeiinterne, hochrangig besetzte "Mobbing-Kommission" ein. Ganze 35 Fälle trägt diese in der rund 28 000 Beschäftigte zählenden Polizeibehörde zusammen, obwohl nicht nur aktuelle, sondern auch länger zurückliegende Vorwürfe einbezogen werden. Zwei sortiert die Kommission gleich wieder aus, da bereits Ermittlungsverfahren laufen. Darunter auch den Fall der jungen Polizistin. In München beauftragt das bayerische Innenministerium ein privates Institut damit, die etwa 6000 Mitarbeiter des Polizeipräsidiums anonym zu befragen.

Bei den in Berlin verbliebenen 33 Fällen sind 19 Mal Frauen betroffen, 14 Mal Männer. In elf Fällen spielt sexuelle Belästigung die zentrale Rolle. Ihr Urteil trifft die Kommission in erster Linie anhand von Akten, selten führt sie mit den Betroffenen persönliche Gespräche. Das Münchner Umfrageinstitut führt die Untersuchung schriftlich durch. Das Polizeipräsidium verteilt die Briefe, das Institut kennt weder Namen noch Adressen. Präsidium und Ministerium erhalten keinen Einblick in die Fragebögen.

Nach anderthalbjähriger Arbeit stuft die Berliner Kommission zwei der Vorgänge als Mobbing ein, einen weiteren als Verdachtsfall. Die übrigen 30 werden mit immer der gleichen Formel abgeschlossen: "Die Kommission bewertete den Sachverhalt nicht als Mobbing. Weitere Massnahmen waren nicht erforderlich". In München ist die Auswertung nach zwei Monaten abgeschlossen. Rund ein Viertel aller Befragten ist der Ansicht, dass Frauen auf der Dienststelle nicht der gleiche Respekt entgegengebracht wird wie im Privatleben. Jede siebte Polizistin gibt an, selbst schon einmal Opfer sexueller Belästigung geworden zu sein; jede elfte berichtet von mehrmaligen Vorkommnissen. Von "Anstarren, taxierenden Blicken, Hinterherpfeifen" über "anzügliche Bemerkungen über die Figur" bis zu "körperlichen Annäherungsversuchen" reicht die Palette. Besonders häufig sind Beamtinnen im Alter zwischen 18 und 25 Jahren betroffen. Ähnlich beim Mobbing. Rund 1500 Befragte, also die Hälfte, berichten über solche Vorfälle.

Otto Diederichs

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