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Wirtschaft: 1800 Mitarbeiter bei Agfa bangen um ihren Job

Leverkusener Fotospezialist stellt überraschend Insolvenzantrag / Umstellung auf digitale Technik kam zu spät

Berlin - Der traditionsreiche Fotofilmhersteller Agfa-Photo steht vor dem Aus. Am Freitag eröffnete das Amtsgericht Köln auf Antrag des Unternehmens ein vorläufiges Insolvenzverfahren. Die Nachricht von der Zahlungsunfähigkeit ihres Unternehmens traf Belegschaft, Arbeitnehmervertreter und die Chemie-Gewerkschaft IG BCE offenbar völlig unvorbereitet. „Für den Gesamtbetriebsrat und die IG BCE ist dies eine ebenso überraschende wie schmerzhafte Entwicklung“, teilten Gesamtbetriebsrat und Gewerkschaft mit. „Noch auf einer Sitzung Mitte Mai haben die Vertreter der Geschäftsführung nicht einmal in Andeutungen von einer drohenden Insolvenz gesprochen.“

Nun fürchten mehr als 1800 Mitarbeiter in Deutschland, 870 davon im Werk in Leverkusen, um ihre Arbeitsplätze. Weltweit beschäftigt das Unternehmen, das im vergangenen Jahr rund 700 Millionen Euro umsetzte, an 32 Vertriebsstandorten mehr als 2400 Menschen. An den Standorten in Leverkusen, Windhagen, Vaihingen, München und Peiting produziert Agfa-Photo Filme, Fotopapier, Entwicklungschemikalien und Laborgeräte.

Agfa blickt in Deutschland auf eine mehr als 130-jährige Unternehmensgeschichte zurück. Erst im November 2004 trennte sich der belgische Foto- und Bildtechnikkonzern Gevaert von seiner verlustreichen Fotosparte. Die seither wieder eigenständige Agfa-Photo GmbH mit Sitz in Leverkusen ging für einen Kaufpreis von 175,5 Millionen Euro an das Management (25 Prozent der Anteile), die Nanno Beteiligungsholding aus Grünwald bei München (55 Prozent) und die US-Beteiligungsfirmen Abrams Capital und Highfields Capital aus Boston (jeweils zehn Prozent).

„Noch vor einem halben Jahr hat sich Agfa-Photo als ein solides Unternehmen präsentiert“, sagen Gesamtbetriebsrat und Gewerkschaftsvertreter. Auch vor diesem Hintergrund sei es völlig unverständlich, dass jetzt ein Insolvenzverfahren beantragt wurde. „Wir erwarten ausführliche, präzise Informationen“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung vom Freitag weiter. Und: „Wir werden um jeden Standort, um jeden Arbeitsplatz kämpfen.“

Agfa-Photo arbeitet in einem schwierigen Umfeld. Das traditionelle Geschäft mit der analogen Fotografie schrumpft – in zweistelligen Prozentraten jedes Jahr. Die Digitalfotografie dagegen boomt – ebenfalls mit zweistelligen Wachstumsraten. Nach Angaben der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in Nürnberg ging allein in den Monaten Februar und März 2005 der Markt für analoge Filme und Kameras in Deutschland um jeweils 27 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurück. Dagegen wurden in dem Zeitraum, 18 Prozent mehr Digitalkameras und sogar 87 Prozent mehr Memory Cards, also digitale Bildspeicher, verkauft.

Ebenso wie andere Unternehmen der Fotobranche, wie Kodak oder Fuji, hat auch Agfa die Folgen der Digitalisierung der Fotografie unterschätzt und zu spät begonnen, sich auf die neue Technik einzustellen. Das Geschäft mit digitalen Kameras und Scannern musste Agfa vor rund fünf Jahren aufgeben.

Zum vorläufigen Insolvenzverwalter für das Unternehmen wurde nach Angaben seiner Kanzlei der Kölner Anwalt Andreas Ringstmeier ernannt. Er war zuletzt mit der Sanierung des insolventen Gastronomiezulieferers Rungis Express befasst.

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