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Wirtschaft: Abheben mit Steuergeldern

Die EU prüft, ob Beihilfen rechtens sind.

Niederrhein-Weeze, Altenburg-Nobitz, Dortmund, Saarbrücken, Zweibrücken, Lübeck-Blankensee – gegen sechs deutsche Regionalflughäfen hat die EU-Kommission allein im vergangenen Jahr ein Verfahren zur Beihilfeprüfung eingeleitet. Der Verdacht der Behörde: Die Staatsbeihilfen verschaffen den Flughäfen einen Wettbewerbsvorteil, ohne Subventionen wären sie gar nicht überlebensfähig.

Skeptisch sieht man in Brüssel auch die Vereinbarungen, die einige der Flughäfen mit verschiedenen Billig-Airlines abgeschlossen haben und diesen unfaire Vorteile gegenüber der Konkurrenz verschaffen sollen. Das wird in einem aktuellen Bericht des Europaparlaments zur Zukunft der Regionalflughäfen damit erklärt, dass diese oft „mit einem Quasi-Monopol eines Luftfahrtunternehmens konfrontiert sind, das diese Monopolstellung als Druckmittel einsetzen kann, um mehr Forderungen an die betreffenden Flughäfen zu stellen“.

Was ein Regional- und was ein Großflughafen ist – dazu gibt es keine allgemeingültige Definition. Immerhin hat die EU-Kommission im Jahr 2005 bei fünf Millionen Passagieren im Jahr eine künstliche Grenze gezogen. Klar ist , dass immer mehr kleinere Airports den Betrieb aufnehmen. Auch in Kassel-Calden hofft man, dass der neue Airport zur „Entwicklung des Tourismussektors beiträgt, der für viele europäische Regionen von entscheidender Bedeutung ist“, wie es im Bericht des Europaparlaments weiter heißt. Insofern gibt es durchaus Verständnis für den anhaltenden Trend bei den Kommunen, sich einen Flughafen vor Ort zu bauen.

Rund 70 Fälle sind bei der EU-Kommission nach deren eigenen Angaben im Luftverkehrssektor derzeitig anhängig. Bei gut der Hälfte davon hat sich der Verdacht auf unerlaubte Staatsbeihilfen derart erhärtet, dass ein eingehendes Prüfungsverfahren eingeleitet worden ist.

Wie langwierig und kompliziert sich solche Verfahren gestalten können, zeigt das Beispiel Frankfurt-Hahn. Schon im Jahr 2008 äußerte die Brüsseler Behörde den Verdacht, dass die Betreiber dem größten Kunden Ryanair unerlaubte Vorteilskonditionen einräumten. 2011 schließlich folgte der Vorwurf, der Flughafen im Hunsrück habe durch Staatssubventionen einen unlauteren Wettbewerbsvorteil erhalten. Bis dato hat Brüssel jedoch in beiden Fällen noch keine endgültige Entscheidung getroffen.

Gemäß den Leitlinien für die Finanzierung von Flughäfen, die 2005 von der EU-Kommission verabschiedet wurden, dürfen Staatshilfen in Anspruch genommen werden, wenn sie einem klar definierten Ziel von allgemeinem Interesse dienen. So hat die EU-Kommission die staatliche Förderung für den neuen Berliner Hauptstadtflughafen passieren lassen. Kleinen Flughäfen wiederum darf eine Anlaufhilfe gewährt werden, die sie als neues Flugziel für Airlines attraktiver machen sollen. Stets aber gilt, dass alle öffentlichen Gelder, die in den Luftfahrtsektor fließen, zuerst von der Kommission genehmigt werden müssen.

So geschehen auch im Fall des Flughafens Kassel-Calden, für dessen Ausbau der deutsche Steuerzahler 271 Millionen Euro bereitgestellt hat. Die EU-Kommission erhob keine Einwände gegen die Beihilfen, da gerade das Land Hessen wegen der „Überlastung des Flughafens Frankfurt“ Alternativen fördern müsse.

Der Grünen-Europaabgeordnete Michael Cramer kritisiert diese Entscheidungen heftig. „Die Europäische Kommission entzog sich bei diesem Katastrophenprojekt jeglicher Verantwortung“, sagt das Mitglied des Verkehrsausschusses. Bei der anstehenden Revision der Regeln für staatliche Beihilfen für die Luftfahrt forderte er die Behörde auf, endlich ihre Lehren zu ziehen. „Wir brauchen strengere Kriterien für die Genehmigung staatlicher Beihilfen, aber auch faire Regeln für den Wettbewerb zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern.“ EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia ist für diese Kritik durchaus empfänglich: „Die Notwendigkeit, die Richtlinien für die Luftfahrt zu überarbeiten“, kündigte der Spanier Mitte vergangenen Jahres an, „ist offensichtlich.“ Christopher Ziedler

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