Wirtschaft: Altersvorsorge: Werbung für Privatrente in der Kritik
Die Versicherungsaufsicht warnt vor übereilten Abschlüssen von Produkten für die private Altersvorsorge. "Niemand kommt zu spät, wenn er sich noch Zeit lässt mit der Frage, welches Produkt er wählt", sagte Ingo Möllhoff bei der Jahrespressekonferenz des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen (BAV) in Bonn.
Die Versicherungsaufsicht warnt vor übereilten Abschlüssen von Produkten für die private Altersvorsorge. "Niemand kommt zu spät, wenn er sich noch Zeit lässt mit der Frage, welches Produkt er wählt", sagte Ingo Möllhoff bei der Jahrespressekonferenz des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen (BAV) in Bonn. Möllhoff ist Abteilungsleiter und für die Zulassung der steuerlich geförderten Privatrentenversicherung verantwortlich. Die nach dem Gesetz nötige Zertifizierung der neuen Angebote durch das Bundesamt beginne erst am 1. August. Niemand solle sich "von der marktschreierischen Werbung verschiedener Anbieter verunsichern lassen", sagte er.
Es könne sogar Probleme nach voreiligen Abschlüssen geben, weil Produkte beworben würden, die möglicherweise das erforderliche Zertifikat gar nicht erhalten könnten, warnte Möllhoff. Die Versicherungsaufsicht versuche, diese Auswüchse durch "massive Beeinflussung" der Anbieter zu unterbinden, könne aber nur bei tatsächlicher Irreführung der Verbraucher direkt eingreifen.
Möllhoff wies zudem darauf hin, dass die nach dem Gesetz erforderlichen Zertifikate "keinerlei Gütesiegel" für die angebotene Zusatzrentenversicherung darstellten. Die Versicherungsaufsicht prüfe ausschließlich, ob die für die steuerliche Förderung der privaten Altersvorsorge vorgeschriebenen Kriterien erfüllt seien.
Als Besorgnis erregend bezeichnete das BAV auch seine derzeitige Personalausstattung. Durch den Umzug von Berlin nach Bonn im vergangenen Oktober seien qualifizierte Mitarbeiter verloren gegangen, sagte Präsident Helmut Müller. Mit derzeit rund 290 Mitarbeitern könne ein Versicherungsunternehmen durchschnittlich nur alle zehn bis zwölf Jahre geprüft werden und nicht, wie es internationaler Standard sei, in einem Zyklus von drei bis fünf Jahren.
Unter diesen Umständen müsse sich das Amt auf die Finanzaufsicht konzentrieren, um sicher zu stellen, dass der Kunde auf jeden Fall an sein Geld komme, sagte Müller. Andere Aspekte des Verbraucherschutzes wie die Überprüfung der korrekten Anrechnung von Überschussbeteiligungen litten darunter. Müller nannte einen zusätzlichen Personalbedarf von 20 bis 30 Mitarbeitern.
Milliardengeschäft mit dem Alter
Unterdessen teilte die Dresdner Bank in Frankfurt mit, dass die Ersparnisse für die private Altersvorsorge in den nächsten Jahren dramatisch steigen und dazu führen werden, dass auch die betriebliche Altersvorsorge zu einem Schwerpunkt künftiger Tarifverhandlungen wird.
In einer Studie stellten die Volkswirte der Bank dar, dass sich in Deutschland die Ersparnisse für die private Altersvorsorge unter Einschluss der staatlichen Förderung bis zum Jahr 2010 auf gut 900 Milliarden Euro fast verdreifachen. In der Europäischen Union könnten es danach mehr als sechs Billionen Euro sein, nach 2,6 Billionen Euro im vergangenen Jahr.
Das Geldvermögen der Deutschen insgesamt wird nach Schätzungen der Dresdner Bank ungeachtet der derzeitigen Flaute an den Börsen bis 2010 von 3,6 Milliarden Euro im vergangenen Jahr um fast 80 Prozent auf über 6,4 Billionen Euro anwachsen. Dabei werde das in Aktien angelegte Vermögen um das Zweieinhalbfache steigen, der Bestand an Investment-Zertifikaten werde sich sogar verdreifachen. Das in Versicherungen angelegte Geldvermögen wird sich, so glauben die Volkswirte der Dresdner Bank, dagegen nur verdoppeln. Insgesamt werde sich der Anteil von Aktien, Fondsanlagen und Versicherungen am Geldvermögen im Jahr 2010 auf fast 65 Prozent belaufen.
Wachsende und erhebliche Risiken für die kapitalgedeckte Altersvorsorge sieht die Dresdner Bank nicht. Einige Experten hatten Bedenken geäußert, dass den Preissteigerungen während der Ansparphase der Babyboom-Jahrgänge entsprechende Wertverluste gegenüber stünden, wenn das Kapital abgezogen werde. "Diese Sorgen sind weitestgehend unbegründet", sagt Dresdner Bank-Chef-Volkswirt Klaus Friedrich. Bedeutende Entsparvorgänge seien in Deutschland erst nach 2012 zu erwarten. In den meisten anderen Industrieländern sei die demographische Entwicklung allerdings günstiger, so dass von dort nicht mit einer Belastung der Kapitalmärkte zu rechnen sei.
Die Beträge aus der zusätzlichen kapitalgedeckten Altersvorsorge könnten, so die Volkswirte der Dresdner Bank, zudem international und unabhängig von demographischen und wirtschaftlichen Trends im Heimatland angelegt werden.
ro