Wirtschaft: An Michael Rottmann Leiter der Zins- und Devisenstrategie der Hypo-Vereinsbank
Die Zinsen werden weiter steigen
Stand:
Die Europäische Zentralbank hat den Leitzins unlängst auf 3,75 Prozent erhöht und unerwartet sorgenvoll in die Zukunft geblickt. Das starke Wirtschaftswachstum in diesem Jahr nährt die Inflationssorgen der Notenbank. Sind die Sorgen berechtigt, und werden die Zinsen im Euroraum bald auf vier Prozent steigen?
Die Furcht vor weiter anziehenden Leitzinsen wird sich bewahrheiten. Allerdings ist die Inflation nicht der auslösende Faktor. Die Inflation im Euroraum liegt trotz der deutschen Mehrwertsteuererhöhung bei gemäßigten 1,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auch die Inflationserwartungen geben keinerlei Anlass zur Sorge.
Wenn überhaupt, können die Inflationswarnungen der EZB als Warnung vor überhöhten Lohnabschlüssen verstanden werden. De facto orientiert sich die EZB bereits seit 1999 an den konjunkturellen Vorlaufindikatoren, die in den vergangenen Jahren mit der Inflationsentwicklung wenig bis nichts zu tun hatten. Da diese Indikatoren im Euroraum weiter auf ein solides Wachstum deuten und die Wachstumserwartung für das Jahr 2008 laut der sogenannten EZB-„StaffProjektionen“ von 2,3 Prozent auf 2,4 Prozent angehoben wurde, sind weitere Leitzinserhöhungen wahrscheinlich. Wir halten dementsprechend an unserer Erwartung fest, dass die Leitzinsen Anfang Juni nochmals um 25 Basispunkte auf vier Prozent angehoben werden. Ein weiterer Zinsschritt in Richtung 4,25 Prozent im zweiten Halbjahr ist zudem nicht auszuschließen. Diese Option besitzt eine höhere Wahrscheinlichkeit als ein Ende des Zinserhöhungszyklus zum jetzigen Zeitpunkt.
Damit ist auch ein weiterer Anstieg der gesamten Renditestruktur wahrscheinlich. Notenbankchef Trichet dürfte auf der Pressekonferenz im Mai unmissverständlich die nächste Leitzinserhöhung auf vier Prozent ankündigen. Da derzeit nicht mehr als vier Prozent in den Geldmarktforwards, also den spekulativen Termingeschäften auf die Zinsen am Geldmarkt, eingepreist sind, werden die Marktteilnehmer zu diesem Zeitpunkt nicht umhinkommen, ein höheres Risiko für weitere Leitzinsanhebungen einzupreisen. Dies wird letztendlich den Rest der Zinskurve nach oben drücken.
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An Michael Rottmann
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