zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Analysten im Zwielicht

Angesichts der Vielzahl von Skandalen, die in letzter Zeit durch Marktanalytiker verursacht wurden, sollte sich die Industrie fragen, warum sie diese eigentlich noch unterhält. In veröffentlichten Emails der Merrill-Lynch-Beraterfirma wurden von der Firma empfohlene Aktien als "bis auf dei Investment-Gebüheren uninteressant" bezeichnet.

Angesichts der Vielzahl von Skandalen, die in letzter Zeit durch Marktanalytiker verursacht wurden, sollte sich die Industrie fragen, warum sie diese eigentlich noch unterhält. In veröffentlichten Emails der Merrill-Lynch-Beraterfirma wurden von der Firma empfohlene Aktien als "bis auf dei Investment-Gebüheren uninteressant" bezeichnet. Merill ist kein Einzelfall. Jack Grubmann, Telekom-Analytiker bei Salomon, wendete seine pessimistische Einschätzung von AT&T flugs ins Positive, als seine Firma um einen lukrativen Auftrag von AT&T warb. Und die Analytiker, die Enron unterstützten, mussten sich jüngst demütigende Vorhaltungen im US-Kongress anhören.

Dadurch, dass Investmentberatung und Wertpapierhandel in den Banken unter einem Dach stecken, verstößt die Wall Street gegen ein wichtiges Prinzip. Niemand kauft, was die Analytiker produzieren. Ihr Nutzen liegt im geschickten Hausieren mit den Werten der Großkunden - ohne Rücksicht auf die Investierenden. Das wirkt sich in zwei Richtungen aus. Obwohl die Kunden der Investmentbanken im Internetboom in vielen Fällen zu Gunsten weniger Spekulanten übervorteilt wurden, ist es ein Fehlschluss, von einer einseitigen Manipulation zu reden. Die Wall Street könnte genausogut von Manipulation reden wie der kleine Investor. Auf der Wall Street wurde viel Geld gemacht, als Pepsi sich von ihren diversen Fast-Food-Ketten trennte; aus demselben Grund trennte sich AT&T vom Schalterproduzenten Lucent. Grund: "Keine Konkurrenz mit den eigenen Kunden" war das Motto.

Die Wall Street sollte dasselbe tun. Das Nächstliegende wäre, das Investmentbanking auszugliedern. Das wollen die grossen Firmen aber nur ungern. Bleibt die Ausgliederung der Analytiker. Das aber gilt als naiv, da sie allein nicht überleben könnten. Üblicherweise sind Konzerne beim Outsourcing weniger zimperlich. Sieht man die Arbeit der Analytiker als Werbung an, wäre die Industrie ein potenzieller Käufer. In der Pharma-Branche wird die Marktforschung teilweise schon von Werbeagenturen übernommen. Der Verdacht, Marktforschung zu betreiben, weil man unabhängigen Untersuchungen nicht standhalten könnte, wird von selbst zu einer wachsenden Distanz gegenüber dem Investmentbanking führen.

Aus dem \"Wall Street Journal\"[übersetzt]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false