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Eine Person schaut in eine leere Brieftasche. Die Zahl der überschuldeten Haushalte könnte zunehmen.

© imago/Thomas Trutschel/photothek.net

Tagesspiegel Plus

Anlaufstellen bei Überschuldung: Was tun, wenn das Geld knapp wird?

Durch die Inflation drohen mehr Haushalte in die Überschuldung abzurutschen. Hilfe holen sollte man sich eher früher als später.

| Update:

Steigende Preise für Heizung, Strom und Lebensmittel belasten viele Haushalte in Deutschland. Die Inflation sorgt dafür, dass viele Bundesbürger ihren Notgroschen anzapfen müssen. Für einige Haushalte könnte es so eng werden, dass die Kosten die Einnahmen übersteigen und sie in die roten Zahlen rutschen.

Erste Anzeichen dafür gibt es bereits. So beobachtete die Wirtschaftsauskunftei Schufa Anfang des Monats einen Anstieg der sogenannten Negativmeldungen um 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Solche Meldungen entstehen immer dann, wenn Personen in Zahlungsschwierigkeiten geraten, zum Beispiel eine offene Rechnung zweimal angemahnt wird.

Auch die Schuldnerberatungen rechnen damit, dass die Zahl der überschuldeten Haushalte ansteigen wird. Als überschuldet gilt jemand dann, wenn die monatlichen Einnahmen nicht ausreichen, um alle Zahlungsverpflichtungen wie Miete, Lebensunterhalt und Kreditraten zu bezahlen.

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Wird die Zahl der Überschuldungen zunehmen?

„Bereits im März hat die Mehrheit der Beratungsstellen einen höheren Hilfsbedarf festgestellt“, sagt Roman Schlag, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV). So sei etwa die Nachfrage nach Unterstützung bei Energie- und Mietschulden gestiegen. „Wir rechnen jetzt natürlich damit, dass das nochmal massiver wird und sich mehr Menschen melden, die wegen hoher Energiekosten in Schwierigkeiten geraten“, so Schlag.

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Auch Josefa Fernandez, Schuldnerberaterin bei der Caritas in Berlin rechnet mit mehr Fällen von Überschuldung. Sichtbar werde das aber erst mit einiger Verzögerung. „Erst brauchen die Leute ihre Reserven auf, dann bitten sie Freunde und Familie um Hilfe, dann wenden sie sich an die Banken und erst wenn gar nichts mehr geht, kommen sie zu uns in die Beratung. Leider erst so spät“, berichtet sie.

Wer ist besonders betroffen?

Die häufigsten Gründe für eine Überschuldung seien Arbeitslosigkeit, die Trennung vom Partner oder längere Krankheit, erklärt die Schuldnerberaterin. Besonders Menschen mit geringem Einkommen, wie zum Beispiel alleinerziehende Personen oder Bezieher von Sozialleistungen, seien betroffen, so Fernandez: „Für wen es schon vorher knapp war, für den wird es jetzt erst recht schwierig.“

Diejenigen, die Hilfe bei den Schuldnerberatungen suchten, sei schon immer vielfältig gewesen, sagt dagegen Schlag: „Die Bandbreite ist groß, vom Wohnungslosen bis zum leitenden Angestellten“. Ändert die aktuelle Krise daran etwas? Ja, meint Schlag: „Es wird jetzt auch mehr Menschen betreffen, die bislang nie etwas mit Schuldnerberatungen zu tun hatten, Menschen, die nicht immer alles sofort zurückzahlen konnte, aber sich mit Kleinkrediten behelfen konnten.“ 

Wie können Menschen ihre finanzielle Situation verbessern, die wenig Geld verdienen? 

Möglichkeiten, die eigene Einkommenssituation zu verbessern, gibt es viele. Manche Tipps kommen auf den ersten Blick etwas spießig daher, wie zum Beispiel die Empfehlung ein Haushaltsbuch zu führen. „Haushaltsplanung ist aber das A und O um seine Finanzen in den Griff zu kriegen“, sagt Schlag. Gerade der Blick auf die variablen Kosten, also Ausgaben für Lebensmittel, Abos und Versicherungen ermögliche es noch Sparpotentiale auszumachen, erklärt Fernandez.

Einen festen Betrag für die ganze Woche abheben: Das kann dabei helfen, die eigenen Finanzen besser im Griff zu behalten.
Einen festen Betrag für die ganze Woche abheben: Das kann dabei helfen, die eigenen Finanzen besser im Griff zu behalten.

© FOTOLIA

Die gute Nachricht: Mittlerweile sind nicht mehr Heft und Stift notwendig, um sich einen Überblick über die eigenen Finanzen zu verschaffen. Apps wie Bluecoins oder Money Manager erlauben es, alle Einnahmen und Ausgaben auch bequem auf dem Smartphone einzutragen.

Wem das schwer falle, empfiehlt Roman Schlag, sich ein festes Budget für die Woche zu setzen: „Wochengeld heißt, ich hebe am Wochenanfang einen festen Betrag Bargeld ab und versuche damit die Woche auszukommen.“ Im Internet ließen sich außerdem einfach Nachbarschaftsgruppen finden, um Gegenstände günstiger einzukaufen oder zu tauschen.

Bei den Fixkosten wie Miete oder Energiekosten anzusetzen, sei schon schwieriger, erklärt Fernandez. Wer ein separates Zimmer in seiner Wohnung habe, könne dieses immerhin untervermieten. Wer Sozialhilfe bezieht, könne den Stromsparcheck der Caritas in Anspruch nehmen, bei dem ein Team von Energieberatern vor Ort den Stromverbrauch der Wohnung überprüft und bei Bedarf auch gleich Hand anlegt und zum Beispiel Lampen austauscht.

Die Bank kann notfalls ohne ihr Geld leben, sie ohne Wohnung aber nicht.

Josefa Fernandez, Schuldnerberaterin bei der Caritas Berlin

Wer nur wenig verdient, hat eventuell Anspruch auf Wohngeld. Dabei handelt es sich um einen staatlichen Zuschuss zur Miete. Wie hoch dieser ausfällt, hängt von der Höhe des Einkommens, der Anzahl der Personen in einem Haushalt und der Höhe der Miete ab. Laut Angaben der Stiftung Warentest haben Antragssteller in den vergangenen Jahren im Schnitt 150 Euro im Monat erhalten. Die Bundesregierung plant mit einer Reform des Wohngelds zum 1. Januar 2023, den Zuschuss zu erhöhen und den Kreis der Berechtigten auszuweiten. Noch muss aber der Bundesrat zustimmen.

Wer keine Gehaltserhöhung in Aussicht hat und für den kein Jobwechsel infrage kommt, kann als Kompromiss mit Chef oder Chefin sogenannte steuerfreie Sachzuwendungen aushandeln. Das kann ein Tankgutschein sein oder ein Jobticket für den Öffentlichen Personennahverkehr.

Wann sollte ich mir Hilfe holen?

Am Monatsende einmal in den Dispokredit der Bank zu rutschen, ist noch kein Fall für die Schuldnerberatung. „Aber in dem Moment, wo der Überziehungskredit der Bank nicht mehr ausreicht, nicht nur einmalig, sondern mehrere Monate in Folge, da stimmt was nicht“, sagt Fernandez.

Häufig seien dann die Einnahmen geringer als die Ausgaben und es drohe eine Schuldenspirale: „Der Dispo wird erhöht oder in einen Kreditvertrag umgewandelt, dann sieht erstmal alles wieder rosig aus, aber zu den hohen Ausgaben kommt noch die Kreditrate dazu.“ Spätestens jetzt sollte man sich unbedingt Hilfe holen, rät die Schuldnerberaterin: „Am liebsten ist es mir aber präventiv zu arbeiten, anstatt Feuerwehr zu spielen.“

Wie finde ich eine seriöse Schuldnerberatung?

Der Begriff der Schuldnerberatung ist nicht geschützt. Um nicht an unseriöse Beratungsangebote zu geraten, sollten Betroffene in Berlin die Liste staatlich anerkannter Schuldner- und Insolvenzberaterstellen der Senatsverwaltung nutzen. Die Beratung dort ist seriös und kostenlos.

Wie lange dauert es, bis ich Hilfe bekomme?

Einen Termin für eine Erstberatung bei der Schuldnerberatung der Caritas in Berlin Mitte lasse sich etwa mit einer Woche Vorlauf vereinbaren, sagt Fernandez: „Dort schauen wir dann, wie umfangreich der Fall ist.“ Falls weitere Termine nötig seien, gäbe es eine Warteliste. Aber auch während der Wartezeit sei eine psychosoziale Begleitung möglich, damit die Betroffenen mit ihren Ängsten nicht allein sind.

Was sind die beiden wichtigsten Posten, die ich immer bezahlen sollte?

Je enger die Lage sei, desto mehr neigten die Menschen dazu aus der Not heraus falsche Entscheidungen zu treffen, sagt Fernandez. Dabei sei es wichtig zwei Posten immer zu bezahlen: Miete und Strom. Denn hier drohe schnell ein existenzielles Risiko. „Ich sage immer die Bank kann notfalls ohne ihr Geld leben“, sagt Fernandez, „Sie ohne Wohnung aber nicht.“

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