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Wirtschaft: „Bei einem faulen Ei werden wir garstig“

Jörg Hofmann, Verhandlungsführer der IG Metall in Baden-Württemberg, über den aktuellen Tarifstreit

Stand:

Herr Hofmann, was halten Sie vom Tarifabschluss in der chemischen Industrie?

Das ist ein Ergebnis, das die Chemiekollegen im Rahmen ihrer Branchensituation gut bewerten. Die Situation in der Metall- und Elektroindustrie ist aber noch besser.

3,6 Prozent mehr Geld plus Einmalzahlung würde Ihnen nicht reichen?

Die Konjunktur brummt auf Hochtouren. Anfang des Jahres hat der Maschinenbau hier in Baden-Württemberg fast 22 Prozent mehr produziert als vor einem Jahr, um nur ein Beispiel zu nennen. Alle volkswirtschaftlichen Prognosen gehen deutlich nach oben, sodass sich die Arbeitnehmer zu recht sagen: Jetzt sind wir dran. Fertig.

Martin Kannegiesser von Gesamtmetall argumentiert, der Lohnanteil an den Kosten sei in der Chemie geringer als bei Metall, deshalb seien 3,6 Prozent unmöglich.

Der Lohnkostenanteil bei uns liegt bei 16 Prozent, in der Chemie sind es zwölf Prozent. Aber bei uns ist die Produktion 2006 um acht Prozent gestiegen, in der Chemie um fünf Prozent. Und die Prognosen für 2007 sind bei uns deutlich günstiger als in der Chemie.

Aber fast ein Drittel der Metallfirmen schreiben nach Angaben der Arbeitgeber Verluste oder sind nur knapp im Plus.

Nach einer Umfrage bei gut 600 Betrieben machen elf Prozent rote Zahlen. Das sind Firmen aus dem automobilnahen Werkzeugbau, deren Produkte jetzt von den Autoherstellern selbst gemacht oder aus Billigstandorten bezogen werden. Oder es sind Betriebe, die von Heuschrecken ausgeblutet wurden. Mit niedrigen Lohnabschlüssen rettet man die nicht.

Die Wettbewerbsfähigkeit leidet, wenn die Arbeitskosten zu arg steigen.

Wegen des Anstiegs der Produktivität zuletzt im zweistelligen Prozentbereich sind die Lohnstückkosten unserer Betriebe massiv gesunken, im letzten Jahr um über vier Prozent. Die Wettbewerbsfähigkeit ist überhaupt nicht in Gefahr.

Aber Arbeitsplätze.

Blödsinn. Obwohl die Produktion gestiegen ist und die Lohnstückkosten fast gleich blieben sind haben die Unternehmen in den vergangenen Jahren Arbeitsplätze abgebaut. Erst seit einigen Monaten kommt es zu einem leichten Arbeitsplatzaufbau. Es ist eine Unverschämtheit, wenn die Arbeitgeber die Lohnrunde missbrauchen, um den Leuten Angst um ihren Arbeitsplatz einzujagen. Und dass die Lohnpolitik die Unternehmen nicht überlastet, zeigen ja die Exporterfolge. Kann es einen besseren Zeitpunkt für eine anständige Lohnerhöhung geben?

Die Arbeitgeber werden heute vermutlich eine etwa zweiprozentige Tariferhöhung sowie eine ordentliche Einmalzahlung anbieten. Das ist nicht schlecht für Ihre Leute, die Geld sehen wollen.

Wir haben qualifizierte Mitarbeiter, die den Dreisatz beherrschen. Eine Einmalzahlung nehmen wir oben drauf gerne mit, aber sie kann nicht die dauerhafte Erhöhung in den Tariftabellen ersetzen. Wenn die Arbeitgeber zwei Prozent plus Einmalzahlung anbieten und wir 6,5 Prozent wollen, dann klafft da ein großes Loch. Das zu füllen wird nicht einfach sein. Mit Stroh geht das nicht. Das müssen Dukaten sein.

Und wenn die Arbeitgeber nicht zahlen?

Wenn der Vorschlag der Arbeitgeber deutlich unter dem bleiben sollte, was ringsum schon abgeschlossen ist, dann löst das eine gewisse Verfestigung auf unserer Seite aus. Eine Lösung des Tarifstreits im Konflikt würde wahrscheinlicher. Wenn die uns vor Ostern ein faules Ei legen, dann werden wir garstig.

Wie das?

Da fällt uns einiges ein.

Das Gespräch führte Alfons Frese.

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