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Wirtschaft: Bertelsmann feuert „Superstar“ Stein

Deutschland-Chef der Musiksparte BMG erreicht nicht die Renditevorgaben/Richtungskampf in der Branche

Berlin (mot). Die deutsche Musikindustrie wechselt mitten in ihrer schwersten Krise das Führungspersonal aus: Einen Tag nach dem Rücktritt von UniversalMusic-Chef Tim Renner trat am Freitag Deutschlands bekanntester Musikmanager, Thomas Stein, von seinem Posten als Deutschland-Chef der Bertelsmann Musiksparte BMG zurück. In beiden Fällen sollen unterschiedliche Auffassungen über die strategische Ausrichtung der Plattenfirmen und die Renditevorgaben der Konzernzentralen in den USA zum Eklat im Vorstand geführt haben. Bei BMG fiel Insidern zufolge die Gewinnmarge im Jahr 2003 trotz steigender Umsätze massiv.

BMG-Vorstandschef Rolf Schmidt-Holtz habe sich mit Thomas Stein darauf geeinigt, dass der Musikmanager das Unternehmen „mit sofortiger Wirkung“ verlasse, teilte BMG mit. Nachfolger werde Maarten Steinkamp, Präsident von BMG International. Der Gütersloher Bertelsmann-Konzern kommentierte die Personalie nicht: „Das ist eine BMG-Entscheidung“, sagte ein Sprecher.

Aus dem Umfeld Steins ist aber zu hören, dass es in der New Yorker BMG-Zentrale und auch bei Bertelsmann schon länger Kritik am mangelnden internationalen Erfolg der deutschen Niederlassung gab. BMG sei es nicht gelungen, Stars nach dem Muster von Yvonne Catterfeld oder Lou Bega auch weltweit zu vermarkten. So sank informierten Kreisen zufolge der Beitrag, den die deutsche BMG an die Zentrale lieferte, binnen vier Jahren von 50 auf acht Millionen Euro. Gleichzeitig fiel offenbar die Gewinnmarge 2003 massiv auf einen Wert um drei Prozent. Im Jahr zuvor hatte BMG Deutschland 237 Millionen Euro umgesetzt und neun Millionen Euro verdient. 2003 stagnierte der Gewinn auf diesem Niveau, obwohl der Umsatz zugleich stieg. „Die Rendite ist zu niedrig“, hieß es. In Großbritannien seien Margen im zweistelligen Prozentbereich normal.

BMG und Universal zählen neben Warner Music, Sony Music und EMI zu den fünf größten Musikkonzernen, die sich den Weltmarkt aufteilen. Die Musikbranche leidet seit Jahren unter Erlöseinbrüchen von bis zu 20 Prozent, weil sich der illegale Gratis-Download von Musik aus dem Internet und das Brennen von CDs stark ausgebreitet haben, ohne dass die Konzerne eine Gegenstrategie gefunden hätten. Sie reagierten statt dessen mit Personalkürzungen und strichen ihr Repertoire zusammen, um Kosten zu sparen. Zuletzt hatten BMG und Sony eine Fusion ihrer Musiksparten vereinbart.

Thomas Stein hatte bei BMG zusätzlich für Unmut gesorgt, weil er als Jurymitglied der TV-Casting-Show „Deutschland sucht den Superstar“ offenbar das Tagesgeschäft vernachlässigte. Die erfolgreiche Show, an der Stein weiter mitwirken soll, wird beim Bertelsmann-Sender RTL produziert und über BMG-Tonträger vermarktet. Sie bescherte BMG 2003 einen größeren Marktanteil (aktuell: 20 Prozent) und einen gegen den Markttrend steigenden Umsatz. „Es gab aber immer mehr Stimmen bei BMG, die gesagt haben, Stein hätte sich auch mehr um das sonstige operative Geschäft kümmern müssen“, sagte ein Insider. „Die Superstars allein reichen nicht aus.“ BMG-Chef Schmidt-Holtz dankte Stein offiziell am Freitag für die Zusammenarbeit. „Für BMG war er in der europäischen Musiklandschaft eine Führungspersönlichkeit von herausragendem Wert.“

Marktbeobachter werteten den Rückzug Steins und Renners als Teil eines Richtungskampfes in der Industrie. „Die Labels müssen sich fragen, ob sie reine Plattenpresser sein wollen, oder ob sie Künstler langfristig aufbauen und in neuen Geschäftsmodellen vermarkten können – auch im Internet“, sagte Thorsten Wichmann, Geschäftsführer von Berlecon Research. Warum gerade Stein und Renner, die früh auf die Herausforderungen des Netzes hingewiesen hatten, gehen müssten, bleibe das Geheimnis der Konzerne.

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