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Eine Mitarbeiterin überwacht eine Müllverbrennungsanlage der EEW in Hannover.

© dpa

Milliardendeal für Abfallunternehmen EEW: Chinesen verbrennen jetzt deutschen Müll

Der niedersächsische Müllverbrenner EEW will Abfalldeponien zum Auslaufmodell erklären - und den Müll stattdessen in Energie verwandeln. Nun übernehmen Chinesen den Konzern. Und sorgen damit für einen Rekord.

Die junge Wirtschaftsmacht China sorgt mit einem Zukauf in Niedersachsen für einen neuen Investitionsrekord. Die Holding Beijing Enterprises aus dem Reich der Mitte übernimmt den Müllverbrennungsspezialisten EEW Energy from Waste aus Helmstedt für 1,438 Milliarden Euro. Darauf einigten sich die Chinesen mit der bisherigen EEW-Mutter, dem schwedischen Investor EQT. Die Übernahme soll schon Ende Februar unter Dach und Fach gebracht sein.

EQT hatte die einstige Tochter des deutschen Energieriesen Eon 2012 zunächst mit knapper Mehrheit und 2015 schließlich ganz übernommen. EQT zufolge handelt es sich um die bisher größte chinesische Direktinvestition in ein deutsches Unternehmen. Experten und Statistiken bestätigten das am Donnerstag. Demnach übertrifft die Kaufsumme die alten Rekorde klar. Vor kurzem war bekanntgeworden, dass ChemChina, der größte Chemiekonzern aus dem Reich der Mitte, den Münchener Spezialmaschinenbauer KraussMaffei für 925 Millionen Euro erwerben will.

Millionen Tonnen Abfall sollen jährlich zu Energie gemacht werden

Die zuvor größte Transaktion war der Kauf des Betonpumpenherstellers Putzmeister, bei dem der chinesische Baumaschinenhersteller Sany Anfang 2012 zugegriffen hatte. EEW Energy from Waste (Energie aus Abfall) hat nach eigenen Angaben 1050 Mitarbeiter. Die 18 Anlagen der Gruppe können jährlich rund 4,7 Millionen Tonnen Abfall zu Energie machen und umweltschonend beseitigen. Die Fabriken erzeugen Prozessdampf für Industriebetriebe, Fernwärme für Wohngebiete und Strom für umgerechnet rund 700 000 Haushalte. Selbst der Abfall des verbrannten Abfalls - größtenteils Schlacke - wird später weiter verwendet, vor allem im Straßenbau.

Beijing Enterprise gehört der Stadtregierung von Peking. Das Unternehmen betreibt das Müllmanagement der Stadt und ist zugleich Wasser- und Gasversorger. 2014 machte EEW 539 Millionen Euro Umsatz. Der fast dreifach so hohe Kaufpreis der Chinesen spiegelt einen gewaltigen Aufschlag wider, der sich aus den Hoffnungen auf den künftigen Geschäftserfolg der Helmstedter erklärt. So lag der Kaufpreis für KraussMaffei mit 925 Millionen Euro unter dem Umsatz von 2014 (rund 1,1 Milliarden Euro), der zudem in 2015 noch einmal stark zugelegt haben dürfte.

Deutschland für chinesische Zukäufe attraktiv

Dass die Chinesen wieder in Deutschland zugreifen, ist kein Zufall. Der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungskonzern EY untersucht die chinesischen Investitionsziele regelmäßig. Demnach war Deutschland 2015 mit 36 Unternehmenskäufen für chinesische Investoren das attraktivste Land in Europa - dicht gefolgt von Großbritannien und weit vor Frankreich (20), Italien (17) und Spanien (12). Der weitaus größte Deal des vergangenen Jahres wurde laut EY in Großbritannien angekündigt: der Verkauf der britischen Telefonica-Tochter O2 an Hutchison im Wert von 15,4 Milliarden US-Dollar (13,8 Milliarden Euro).

Auf Rang zwei der größten chinesischen Zukäufe in Europa folgt die Übernahme des italienischen Reifenkonzerns Pirelli durch ChemChina (8,9 Milliarden Dollar), gefolgt vom Kauf des Schweizer Flugzeug- und Airportdienstleisters Swissport durch die chinesische HNA Group für 2,8 Milliarden Dollar. Die größte Transaktion in Deutschland war 2015 die bei der Hauck & Aufhäuser-Privatbank durch Fosun. Die Übernahme lag mit 210 Millionen Dollar aber in einer anderen Liga.

Peking sucht Zugang zu Schlüsselbranchen

Getoppt werden all diese Deals indes durch das ChemChina-Angebot für Syngenta: Der größte chinesische Chemiekonzern will den Schweizer Agrarchemie-Anbieter Syngenta nach Angaben vom Mittwoch für mehr 43 Milliarden Dollar übernehmen. China verfügt über gigantische Devisenreserven. Staat und Wirtschaft sind eng verbandelt. Die kommunistische Regierung müht sich seit Jahren, in Schlüsselbranchen westliches Know-how anzuziehen. So dürfen etwa deutsche Autobauer in China - dem vor den USA weltgrößten Automarkt - nur wie gewohnt aktiv sein, wenn sie heimische Firmen mit ins Boot holen und mit ihnen Gemeinschaftsunternehmen gründen. Zuletzt hatten ein Kurssturz an Chinas Börsen und die nachlassende Konjunkturdynamik Sorgen ausgelöst.

EY-Partnerin und China-Expertin Yi Sun ist dennoch überzeugt, dass die Investitionsaktivitäten der Chinesen im Ausland nicht nachlassen. „Gerade jetzt wird klar, dass die chinesische Volkswirtschaft weiter modernisiert werden muss - Akquisitionen ausländischer Unternehmen stehen dabei ganz oben auf der Agenda“, sagt sie. Und sie gibt zu bedenken: „Der schwache Euro macht europäische Unternehmen noch zusätzlich attraktiv.“ rtr

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