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Wirtschaft: Das Erbe lässt sich vor dem Zugriff von Gläubigern schützen

Wie Eltern ihre hoch verschuldeten Kinder per Testament absichern können

Bei der Gestaltung von Testamenten werden Notare in letzter Zeit immer häufiger mit einem ganz bestimmten Anliegen ihrer Mandanten konfrontiert: Eltern fürchten die drohende Insolvenz ihrer Kinder – oft wegen deren leichtfertiger Lebensweise – und wollen das zu vererbende Vermögen vor dem Zugriff der Gläubiger ihrer Sprösslinge schützen. Um das zu erreichen, gibt es verschiedene Möglichkeiten.

Ein Beispielfall aus der Praxis macht die Problematik besonders anschaulich: Herr Müller, geschiedener Vater einer Tochter mit zwei Kindern, möchte sein Testament machen. Das Erbe besteht im Wesentlichen aus einem Haus (Grundbesitzwert: 200 000 Euro), das Herr Müller selbst bewohnt. Was ihm allerdings zu schaffen macht: Seine Tochter ist hoch verschuldet. Dass ihre Gläubiger in den Genuss der Immobilie kommen, will der besorgte Vater unbedingt verhindern. Was kann er tun?

Lösungsmöglichkeit Nummer eins: Herr Müller könnte anstelle seiner Tochter gleich die beiden Enkel als Erben einsetzen. Für deren Mutter könnte ein so genanntes Wohnungsrecht (Paragraf 1093 Bürgerliches Gesetzbuch) bestellt werden, das sie berechtigt, das ihren Kindern gehörende Haus zu nutzen. Der besondere Clou: Anders als „normales“ Eigentum könnte das Wohnungsrecht nicht gepfändet werden, da es immer nur zugunsten einer ganz bestimmten Person bestellt wird. „Beschränkte persönliche Dienstbarkeit“ nennt sich diese Art Recht an einem Grundstück im juristischen Fachjargon. Die Folge: Verkaufen oder anderweitig übertragen lässt sich ein Wohnungsrecht nicht (Paragraf 1092 BGB). Eine Pfändung scheidet ebenfalls aus – das sieht die Zivilprozessordnung (ZPO) in Paragraf 851 so vor. Einzige Ausnahme: Die Ausübung des Wohnungsrechts wäre nicht nur der Tochter, sondern auch noch einer anderen Person gestattet. Eine solche „Überlassung an Dritte“ sollte daher im Testament ausdrücklich ausgeschlossen werden.

In steuerlicher Hinsicht ist zu bedenken: Bei der Tochter von Herrn Müller fällt Erbschaftssteuer für das überlassene Wohnungsrecht an – soweit ihr persönlicher Steuerfreibetrag von 205 000 Euro überschritten wird. Die Enkel zahlen Erbschaftssteuer für den Grundbesitzwert. Das Wohnungsrecht wird dabei wertmindernd berücksichtigt. Pro Enkel wird derzeit ein Freibetrag in Höhe von 51 200 Euro gewährt. Sind die Vermögenswerte – wie hier – nicht allzu hoch, fällt bei dieser Gestaltung also überhaupt keine Erbschaftssteuer an.

Um das Erbe vor den Gläubigern der Tochter zu bewahren, wäre aber auch noch eine zweite Lösung denkbar. Herr Müller könnte seine Tochter als so genannte Vorerbin und seine beiden Enkel als Nacherben einsetzen. Was kompliziert klingt, ist im Prinzip relativ simpel: In einem Testament kann festgelegt werden, dass eine bestimmte Person – der Nacherbe – erst dann in den Genuss des Erbes kommen soll, nachdem zunächst ein anderer - der Vorerbe – Erbe geworden ist.

Versuchen die Gläubiger der Tochter nun, ihre Forderungen im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen, macht ihnen Paragraf 2115 BGB einen Strich durch die Rechnung: Er schützt die Nacherben, indem er Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Vorerben für unwirksam erklärt, sofern sie Rechte der Nacherben beeinträchtigen. Einen Haken hat die Sache allerdings: Unwirksam werden solche Maßnahmen erst, wenn der so genannte Nacherbfall – hier also der Tod der Tochter - tatsächlich eintritt. Solange diese noch Vorerbin ist, könnten ihre Gläubiger also durchaus tätig werden und zum Beispiel eine Zwangshypothek an dem zu vererbenden Grundstück bestellen lassen. Erst wenn mit dem Tod der Tochter die Enkel erben, würde die Hypothek ihre Gültigkeit wieder verlieren.

Deshalb behilft man sich mit einem weiteren juristischen „Trick“: Zusätzlich zur Vor- und Nacherbschaft wird eine so genannte Dauertestamentsvollstreckung angeordnet. Ganz praktisch bedeutet das: Herr Müller bestimmt einen Testamentsvollstrecker, der auch nach der Abwicklung des Erbfalls dauerhaft für die Verwaltung des Nachlasses zuständig bleibt. Das führt zwar dazu, dass seine Tochter nur relativ eingeschränkt über die Immobilie verfügen kann. Andererseits sind die von einem Testamentsvollstrecker verwalteten Nachlassgegenstände aber auch für die Gläubiger der Tochter tabu (Paragraf 2214 BGB) - Herr Müller hat sein Ziel erreicht.

In Sachen Erbschaftssteuer gilt: Hier wird zwei Mal vererbt – zunächst an die Tochter, danach an deren Kinder. Vorteil: Alle drei kommen in den Genuss des für Kinder geltenden, höheren Steuerfreibetrags von 205 000 Euro pro Erbe und zahlen so unter Umständen gar keine Erbschaftssteuer. Liegt der Wert des Nachlasses über den Freibeträgen, wird bei Nacherbschaften innerhalb von zehn Jahren eine steuerliche Entlastung zwischen zehn und 50 Prozent gewährt.

Ernst-Michael Ehrenkönig ist promovierter Rechtsanwalt und Notar in Berlin mit notariellem Tätigkeitsschwerpunkt im Erb- und Grundstücksrecht. Reinhard Gensch ist Steuerberater in Berlin.

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