Wirtschaft: Das Hauptinteresse der Aktionäre galt den Würstchen
FRANKFURT .Eigentlich sollte es die Hauptversammlung werden, die endgültig das Aus für den Chemiekonzern Hoechst besiegelt und gleichzeitig die neuen Aventis aus der Taufe hebt.
FRANKFURT .Eigentlich sollte es die Hauptversammlung werden, die endgültig das Aus für den Chemiekonzern Hoechst besiegelt und gleichzeitig die neuen Aventis aus der Taufe hebt.Doch schon seit Wochen war klar, daß daraus nichts werden würde.Nach der Intervention von Großaktionär Kuwait hat Hoechst-Chef Jürgen Dormann den Fahrplan zur Fusion mit Rhône Poulenc wieder einmal umgestoßen.Allerdings hatten viele der rund 3000 Aktionäre gehofft, in der Höchster Jahrhunderthalle wenigstens Details über das neue Konzept zu erfahren.Doch Jürgen Dormann verlor darüber kein Wort.Den Aufsichtsrat, der noch am Dienstagabend zusammentrat, wollte er zunächst über das Konzept für den "beschleunigten" Zusammenschluß informieren.Die Aktionäre nahmen diese Sprachlosigkeit erstaunlich gelassen hin.Selten in den letzten Jahren verlief ein Aktionärstreffen von Hoechst in so ruhigen Bahnen wie am Dienstag.Statt für Rhône Poulenc und für Aventis interessierten sich die Hoechst-Eigner wieder einmal mehr für Würstchen mit Senf und für die obligatorische Werksrundfahrt.
Dormann ließ das Treffen denn auch gelassen über sich ergehen.Er bekräftigte erneut, daß die vollständige Fusion des Life-Science-Unternehmens Aventis noch 1999 und damit früher als geplant stattfinden wird.Er räumte freilich auch ein, daß "ein Scheitern einer Fusion nie auszuschließen ist.Aber das Risiko in diesem Fall ist überschaubar." Daß es auf dem über mehrere Jahre angelegten Weg zum Umbau von Hoechst gelegentliche Abweichungen gebe sei normal."Aber am Ziel haben wir nie Zweifel gelassen".Vermutlich im Juni oder Anfang Juli werden die Hoechst-Aktionäre auf einer außerordentlichen Hauptversammlung der Fusion zustimmen.
Daran zweifelt kaum jemand, schließlich sagten etliche Redner am Dienstag, daß Hoechst allein auf dem weltweiten Pharma- und Life-Science-Markt nicht vorankommen könne.Kritische Stimmen beschränkten sich auf den Ruf nach mehr Klarheit.Reinhild Keitel, Sprecherin der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK), rügte das "Hin und Her von Ankündigungen und Vorhaben" in den vergangenen Monaten.Er wies auch darauf hin, daß Hoechst in fast allen Bereichen die Renditeziele nicht erreicht habe.Auch Klaus Nieding von der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW) mokierte sich über die mangelhafte Informationspolitik."Lichten Sie den Nebel".Insgesamt aber waren die Aktionäre brav.Da war die Rede vom "strategischen Mut" des Hoechst-Managements und vom richtigen Schritt hin zu Aventis.Nur damit könne weltweit eine führende Marktposition erreicht werden.Die Zeit allerdings dränge."Sie sind erst auf der Zielgeraden, die Früchte sind noch nicht geerntet", betonte Fondsmanager Christoph Bruns.
Doch Dormann konnte sich insgeheim freuen."Rhône Poulenc ist einer gute, solide Verbindung, die uns alle voranbringt".Die Franzosen seien ein gleichberechtigter Partner mit hervorragenden Produkten.Kritik am Aventis-Standort Straßburg wies Dormann zurück: Dort würden nur 150 Mitarbeiter tätig sein.Der Standort Höchst werde sogar gestärkt: "Hier wird mit der Aventis Pharma eines der weltgrößten Pharmunternehmen angesiedelt." Allein in der Produktion von Insulin würden in Höchst 200 neue Arbeitsplätze entstehen.
ROLF OBERTREIS (MAIN)