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Wirtschaft: „Das Jagdfieber hat nachgelassen“

Kartellamtschef Böge über Strompreissteigerungen und den Missbrauch von Marktmacht

Ulf Böge

ist Präsident

des

Bundeskartellamtes

Foto: Kai-Uwe Heinrich

Herr Böge, viele Energieversorger erhöhen die Preise. Das sieht aus wie abgesprochen.

Von einer Absprache der Stromkonzerne würde ich nicht ausgehen. Aber das müssen sie auch gar nicht. Durch die Konzentration auf immer weniger Energieversorger durch Übernahmen und Fusionen gibt es schon jetzt eine enge Marktverbundenheit. Folge ist, dass das Jagdfieber, der Konkurrenz Kunden abzuwerben, unübersehbar nachgelassen hat.

Der Wettbewerb auf dem Strommarkt ist gestorben?

Festzustellen bleibt: Die großen Versorger wie Eon oder RWE gehen nicht mehr in die Gebiete der anderen. Früher hat wenigstens Yello, die Billigstromtochter von EnBW, durch aggressive Kundenwerbung kräftig für Bewegung gesorgt. Das ist heute vorbei.

Die Stromkonzerne begründen ihre Preise mit steigenden Kosten, insbesondere für ihre Netze. Das Kartellamt hat aber schon in mehreren Fällen „Missbrauch“ festgestellt. Soll hier unliebsame neue Konkurrenz herausgedrängt werden?

Die Kalkulation der Unternehmen kann ich nicht nachvollziehen. Weder bei der Stromerzeugung noch bei den Leitungsnetzen sind im vergangenen Jahr besondere Kostensteigerungen angefallen. Ich vermute eher, dass hier Marktbeherrschung eine entscheidende Rolle spielt. Die vier großen Stromversorger kontrollieren schließlich die gesamte Verbundnetzebene. Und jeder Stromanbieter ist auf die Benutzung dieser Netze angewiesen

Es ist doch die Aufgabe des Kartellamtes, für Wettbewerb zu sorgen. Haben Sie dafür eigentlich die richtigen Instrumente zur Verfügung?

Die Instrumente sind nicht ausreichend. Die gesetzlich eingeführte „Verrechtlichung“ der Verbändevereinbarung entpuppte sich als Schritt gegen den Wettbewerb. Ich hätte mir gewünscht, das Bundeskartellamt hätte im letzten Jahr schon über die Instrumente verfügen können, die nun der Regulierer erhalten soll. Zum Beispiel die gesellschaftsrechtliche Trennung von Netz und Vertrieb bei den Unternehmen.

Im Sommer beginnt der neue Regulierer mit seiner Arbeit. Wird es dann wieder Wettbewerb und möglicherweise auch wieder sinkende Strompreise geben?

Die Regulierungsbehörde allein ist keine Garantie dafür. Der Markt wird jedenfalls in Zukunft wesentlich stärker administriert als heute. Hier geht ein großes Stück unternehmerische Freiheit verloren. Aber das müssen sich die Unternehmen selbst zuschreiben weil sie bei den freiwilligen Vereinbarungen nicht kooperationsbereit waren.

Strompreise können schon jetzt nicht nach Lust und Laune erhöht werden. Die Wirtschaftsminister der Länder müssen das genehmigen. Haben die versagt?

Darüber will ich mir kein Urteil erlauben. Die Beschwerden über Preissteigerungen kommen aber vor allem von den Privatkunden, deren Tarife von den Ländern genehmigt werden müssen. Die zuständigen Behörden werden sich bestimmt Gedanken gemacht haben, wenn die Stromversorger Preiserhöhungen beantragen und gleichzeitig über gestiegene Firmengewinne berichten.

Die Fragen stellte Dieter Fockenbrock.

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