Wirtschaft: "Das Produkt ist interessant, der Vertrieb kriminell"
In Deutschland haben schätzungsweise 100 000 Familien Wohnrechte in einer Urlaubs-Appartementanlage erworben. Henrik Mortsiefer fragte Hajo Gekeler, Präsident der Schutzvereinigung für Timesharing- und Ferienwohnrechtsinhaber in Europa e.
In Deutschland haben schätzungsweise 100 000 Familien Wohnrechte in einer Urlaubs-Appartementanlage erworben. Henrik Mortsiefer fragte Hajo Gekeler, Präsident der Schutzvereinigung für Timesharing- und Ferienwohnrechtsinhaber in Europa e.V., Wiesbaden, worauf Anleger, die an einem seriösen Timeshare-Investment interessiert sind, achten sollten. Herr Gekeler, viele unseriöse Anbieter haben dafür gesorgt, daß Time-Sharing einen miserablen Ruf hat. Warum fallen trotzdem immer noch so viele Urlauber darauf herein? Die Vertriebsmethoden sind in der Tat überwiegend kriminell. Das Produkt an sich ist aber interessant. Für wen? Time-Sharing ist ein Langzeitprodukt. Wer in Wohnrechte investiert, bindet sich über viele Jahre. Als Faustregel gilt: Wer in der Vergangenheit jedes Jahr Urlaub gemacht hat und sich sicher ist, daß er auch in den kommenden 25 bis 30 Jahren jedes Jahr Urlaub machen wird - und zwar in einem Drei- bis Vier-Sterne-Hotel -, für den könnte Time-Sharing interessant sein. Auch für Familien mit Kindern ist das Modell attraktiv. Welche Risiken gehen Time-Sharer ein, wenn sie sich so lange binden? Niemand weiß, ob er auch in 10, 20 oder 30 Jahren noch Urlaub machen und sein Wohnrecht nutzen kann. Wer etwa aus gesundheitlichen Gründen oder weil er arbeitslos geworden ist nicht mehr verreisen kann, bleibt auf seiner Anfangsinvestition und den laufenden Nebenkosten sitzen. Einen funktionierenden Markt für den Verkauf von "Second-Hand-Wohnrechten" gibt es nicht. Nicht ausgeschlossen ist auch, daß Clubbeiträge mit den Jahren dramatisch steigen, etwa wegen kaufmännischer Fehler der Eigentümer. Generell gilt: Wer sein Geld in den kommenden Jahren wieder braucht, sollte auf keinen Fall einen Time-Sharing-Vertrag unterzeichnen. Von Berechnungsbeispielen krimineller Vertreiber sollte man sich nicht blenden lassen. Woran sind denn seriöse Betreiber zu erkennen? Seriöse Anbieter ködern Urlauber nicht auf der Straße mit Rubbellosen und Gewinnspielen. Sie setzen interessierte Anleger nicht in stundenlangen Gesprächen unter Druck, fordern keine Anzahlung, händigen alle Vertragsunterlagen aus und gewähren Bedenkzeit. Wichtig sind auch Angaben über die Auslastung und die wirtschaftliche Situation der Ferienanlage. Steht eine Anlage zur Hälfte leer, werden die Betriebskosten auf die Neukunden übergewälzt. Rechnet man Vertriebsprovisionen und Marketing ein, machen solche "weichen Kosten" schnell 50 Prozent des Kaufpreises aus. Wieviel muß im Durchschnitt in ein Wohnrecht investiert werden? Ein Wohnrecht für eine Woche pro Jahr - in einem Appartement und für vier Personen - kostet zwischen 18 000 und 25 000 DM. Je nach Saison kann der Preis pro Woche auf 30 000 DM steigen. Hinzu kommen die laufenden Kosten für Unterhalt und - wenn ein Kredit aufgenommen wurde - für die Finanzierung. Wann amortisiert sich die Investition? Die Aussage, ein Ferienwohnrecht habe sich in wenigen Jahren "hereingeurlaubt", ist falsch und bietet einen Anfechtungsgrund. Im besten Falle amortisiert sich Time-Sharing im Verhältnis zu einer gleichwertigen, jährlichen Pauschalreise ab etwa 15 Jahren. Wer Pech hat, muß 25 bis 30 Jahre warten. Kommen Finanzierungskosten hinzu, kann es noch länger dauern. Auf diese "Laufzeiten" müßten seriöse Vermittler hinweisen. Wir fordern als Schutzvereinigung seit langem ein von den Industrie- und Handelskammern ausgestelltes Zertifikat. Die Vermittlung von Wohnrechten ist eine spezielle Finanzdienstleistung, die entsprechende Standards braucht. Wer sind die großen, seriösen der Branche? Als Marktführer in Deutschland gelten der Mondi Ferienclub München und die Schweizer Hapimag. Was können Anleger tun, die über den Tisch gezogen worden sind? Wenn die Verträge wasserdicht sind, kann man eigentlich wenig machen. Es sollten auf keinen Fall die Zahlungen eingestellt werden. Wir raten: Wenden Sie sich an die Verbraucherorganisationen oder an unsere Schutzvereinigung.