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Josef Ackermann: Der Blick nach vorn

Josef Ackermann tritt in Berlin auf und verbreitet Zuversicht. Er will keine Hilfe. Ein Zeichen der Stärke sei es, keine zu brauchen.

Berlin - Der Chef persönlich steht am Eingang, um seine Gäste zu begrüßen. Manch einer läuft glatt vorbei – Josef Ackermann so nah, das ist zu unwirklich, erst recht an diesem Tag: Die Deutsche Bank hat nur wenige Stunden zuvor einen Rekordverlust verkündet, es ist einer der schwärzesten Tage in der Geschichte der Bank und ihres Vorstandsvorsitzenden. So sagen auch die Gäste, die sich einreihen in die Schlange am Eingang der Repräsentanz, nicht viel. Man nickt, lächelt, gibt die Hand, wartet ab.

Als Ackermann dann am Pult steht mit seiner schwarzen Krawatte zum dunklen Anzug, ändert sich die Stimmung schlagartig. „Wenn wir nur Berlin hätten, hätten wir heute ein besseres Ergebnis gehabt.“ So beginnt er seine knapp 20-minütige Rede und strahlt. Von Zuversicht und Verantwortung spricht er und immer wieder von Berlin, wo die Bank im Jahr 1870 – ganz in der Nähe, in der Französischen Straße – gegründet wurde. „Berlin hat uns über die Jahre groß gemacht, und wir haben dabei geholfen, dass Berlin groß wurde“, sagt der Schweizer an der Spitze der Großbank, die heute in Frankfurt am Main ihren Sitz hat.

Doch selbst wenn die meisten Gäste ausgewählte Kunden der Bank sind und sich wenig bundespolitische Prominenz beim Neujahrsempfang eingefunden hat – es geht Ackermann nicht ums Tagesgeschäft, sondern um das große Thema: die Krise und wie sie zu bewältigen ist. Der örtliche Deutsch-Banker Marc-Aurel von Dewitz muss sich kürzer fassen, weil sein Chef die Mahnung vor zu viel Staat in der Hauptstadt vortragen möchte. „Der Staat kehrt mit Macht zurück“, warnt Ackermann und fordert eine „Balance zwischen Freiheit und Ordnung“. Nicht etwa zu stolz sei er, um staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen – aber er stehe auf dem Standpunkt, dass sie nur jenen zugute kommen solle, die sie auch wirklich benötigten. „Davon sind wir weit entfernt.“ Es sei ein Zeichen der Stärke, dass die Deutsche Bank ihren Milliardenverlust aus eigener Kraft auffangen könne, sagt er unter Applaus.

„Geschwindigkeit und Qualität der Veränderung sorgen weithin für Verunsicherung, ja teilweise für Angst“, doziert er. Dabei stehe Deutschland doch viel besser da als in früheren Zeiten und als andere Staaten. Krisen seien auch Zeiten des Aufbruchs und der Chancen. Der designierte US-Präsident Barack Obama mit seinem „Yes, we can“ mache es vor: „Wenn viele so denken, kann es auch so kommen.“

Vom Aufschwung spricht er schon – „der kommt ganz sicher und vielleicht schneller als wir heute glauben“ – und davon, dass die soziale Marktwirtschaft gestärkt aus der Krise hervorgehen werde. So bittere Zahlen am Morgen, so viel Zuversicht am Abend: Wie geht das zusammen in einem Menschen, fragt der Reporter. Ackermann lächelt freundlich. „Was hinter uns liegt, liegt hinter uns. Wir richten den Blick nach vorn.“ Moritz Döbler

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