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Wirtschaft: „Der Ölpreis wird bald sinken“

Shell-Deutschland-Chef Döhmel sieht Entspannung auf dem Markt und weniger Nachfrage aus China

Berlin - Die Lage an den Rohölmärkten wird sich in den kommenden Monaten voraussichtlich entspannen. Es werde weltweit mehr Öl gefördert als verbraucht, sagte Kurt Döhmel, Chef der Geschäftsführung der Deutsche Shell Holding, dem Tagesspiegel am Sonntag. Die Überproduktion werde von den Raffinerien genutzt, um ihre Vorratslager aufzufüllen. Daneben habe sich unter anderem das Wachstum der Ölnachfrage in China abgeschwächt. Dadurch würden die Spekulationen über einen Versorgungsengpass abgemildert. Deutlich geringere Rohölpreise seien in „greifbarer Nähe“.

Trotz der auch an Tankstellen erreichten Rekordpreise äußert sich Döhmel positiv. Der Absatz der neuen, aber teuren V-Power-Kraftstoffe von Shell in Deutschland laufe gut. Beim in diesem Jahr eingeführten V-Power-Diesel sei der Verkauf „wesentlich besser als erwartet“. Beim Diesel profitiert Shell allerdings auch davon, dass immer mehr Menschen statt eines Wagens mit Bezinmotor lieber Dieselfahrzeuge mit geringerem Verbrauch anschaffen.

Der Mineralölwirtschaftsverband (MWV) meldet in seinem jüngsten Monatsbericht dagegen, dass der Absatz von Mineralölprodukten in Deutschland in diesem Jahr bisher im Vergleich zum Vorjahr rückläufig sei. Während 2,9 Prozent mehr Diesel verkauft wurde, gab es insgesamt ein Minus von 2,2 Prozent bis Ende September. Als wesentlichen Faktor für den Rückgang wird vor allem das hohe Preisniveau – bedingt durch den immer teureren Rohstoff Öl – angeführt.

Shell-Deutschland-Chef Döhmel sagte dieser Zeitung: „Die Gefahr eines tatsächlichen Engpasses in der Ölversorgung hat nie bestanden.“ Im dritten Quartal 2004 seien täglich im Schnitt 1,2 Millionen Barrel über den Bedarf hinaus produziert worden. Allerdings lagen zwischenzeitlich die Vorräte der Raffinerien in den wichtigen Industriestaaten auf einem historisch niedrigen Niveau. In der Regel halten die Raffinerien genug Rohstoff für die Produktion von 64 Tagen vor. Dieser Wert war auf 52 Tage gesunken, weil sich die Raffinerien wegen der hohen Ölpreise beim Nachkaufen zurückhielten. Das machte die Ölmärkte für Spekulationen anfällig und zog Hedge Fonds an.

„Bei einem so dünnen Ruhekissen schlagen negative Nachrichten stärker auf den Preis durch“, sagte Döhmel. Zuletzt waren es Streiks in Norwegen, davor die Auseinandersetzung um den russischen Ölkonzern Jukos, der Hurrikan „Ivan“ im Golf von Mexiko oder Anschläge im Irak.

Am Mittwoch trat eine Wende ein. Die aktuellen Zahlen zu den Ölvorräten in den USA fielen wesentlich besser aus als erwartet. Der Ölpreis ist seitdem um rund zehn Prozent gefallen. Mittlerweile gibt es in den Raffinerien der wichtigsten Industriestaaten wieder Ölreserven für 56 Produktionstage, sagte der Shell-Deutschland-Chef. Die Tendenz sei steigend. Im vierten Quartal 2004 würden voraussichtlich weltweit pro Tag 85 Millionen Barrel gefördert und nur 84,3 Millionen Barrel verbraucht werden.

Auch langfristig erwartet Döhmel keinen Versorgungsengpass, trotz einer weiter steigenden Nachfrage. In Kanada - das Land wird mittlerweile als das mit den zweitgrößten Ölreserven der Welt geführt – investiere Shell zum Beispiel stark in die Ausbeutung der Ölsände. In den kommenden sechs Jahren soll dort die Förderung auf rund 290 000 Barrel pro Tag verdoppelt werden – allein von Shell, andere Konzerne sind mittlerweile dort ebenfalls aktiv. Die Förderung von Öl aus den kanadischen Sänden galt lange als zu teuer, ist aber in den vergangenen Jahren kostengünstiger geworden. Kosten von lediglich 10 Dollar je Barrel sind laut Shell realistisch. Als für Europa besonders wichtiges Fördergebiet sei außerdem „die Nordsee noch lange nicht abgeschrieben“. Norwegen etwa habe „bisher höchstens ein Drittel seiner Öl- und Gasreserven gefördert“. Daneben steige die Ölförderung des Irak, trotz aller Anschläge. Dann baue noch Russland seine Produktion aus. Das Land sei für Shell sehr attraktiv, sagte Döhmel.

Nach Schätzungen sei bei 150 Millionen Barrel pro Tag die physikalische Grenze der weltweiten Fördermöglichkeiten erreicht. Deshalb müsse nach weiteren Energiequellen gesucht werden, sagte Döhmel. Bei den fossilen Stoffen sei das vor allem Erdgas, das in etwa 20 Jahren Öl als wichtigsten Energieträger überholen werde. Aus Erdgas stellt Shell bereits synthetischen Diesel her. Und auf längere Sicht könne auch Biomasse verstärkt als Basis für synthetischen Diesel genutzt werden, sagte der Shell-Deutschland-Chef. Das würde die bisherige Abhängigkeit von fossilen und damit endlichen Energiequellen vermindern.

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