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Wirtschaft: Der scheidende Kartellamts-Präsident Dieter Wolf im Interview über die Konzentration in der Energiebranche

Dieter Wolf (64) ist seit 1992 Präsident des Bundeskartellamtes. Ende des Jahres geht er in den Ruhestand.

Dieter Wolf (64) ist seit 1992 Präsident des Bundeskartellamtes. Ende des Jahres geht er in den Ruhestand. Sein Nachfolger wird Ulf Böge, der wie Wolf aus dem Bundeswirtschaftsministerium kommt. Mit dem ausscheidenden Präsidenten sprach Heike Jahberg.

Herr Wolf, wie viele Stromkonzerne wird es im nächsten Jahr noch geben?

Das weiß ich nicht. Wie sich die Konzentration im Strombereich entwickelt, hängt von vielen Faktoren ab. Einer ist sicherlich der Erfolg oder Misserfolg der ersten Zusammenschlüsse. Laufen die fusionierten Unternehmen gut, wird es Nachahmer geben. Nach den ersten Flops flaut die Fusionswelle erfahrungsgemäß ab. Aber in der Stromwirtschaft stehen wir ja erst am Anfang.

Angeblich wollen Veba und Viag fusionieren...

Das ist alles spekulativ. Vertreter der Unternehmen waren zwar zu einem Vorgespräch bei uns, aber von einem offiziellen Verfahren kann nicht die Rede sein. Wie eine eventuelle Fusion zu beurteilen wäre, hängt ganz wesentlich davon ab, ob zu dem entscheidenden Zeitpunkt die Durchleitung von Strom bundesweit möglich ist. Wenn man von jedem Ort Deutschlands aus jedes Stromangebot in Deutschland ordern kann und auch beliefert wird, dann hätten wir einen bundesweiten Strommarkt und müssten Zusammenschluss-Begehren in diesem Lichte prüfen.

Unternehmen, die sich zusammenschließen wollen, sollten also noch warten?

Die Stromkonzerne haben ein Eigeninteresse, dafür zu sorgen, dass die neue Verbändevereinbarung bald steht und die Durchleitung von Strom fördert. Dann kann man über vieles andere reden. Das gilt auch für die Stadtwerke. Deren Strukturen müssen sich jetzt dem Wettbewerb anpassen. Wir sind durchaus bereit, das Zusammengehen von Stadtwerken auf der horizontalen Ebene im Rahmen des gesetzlich Möglichen mitzumachen.

Die Stadtwerke klagen darüber, dass sie bei den Verhandlungen über die neue Durchleitungs-Vereinbarung von den großen Stromkonzernen über den Tisch gezogen werden.

Für die Kommunen sind die Stadtwerke Cash Cows. Man hat alles Mögliche über die Wasser-, Strom- oder Gasgebühren der Bürger finanziert. Die Unterhaltung von Schwimmbädern oder die Finanzierung der Verkehrsbetriebe sind sicherlich noble Aufgaben, aber man darf das doch nicht über die Stromrechnung der Kunden finanzieren. Statt Quersubventionierung zu betreiben, sollten die Stadtwerke lieber die Strompreise senken. Man hat sich hier jahrelang durchgewurschtelt. Das ist der Grund dafür, warum die Kommunen versuchen, die alte Position der Stadtwerke zu erhalten oder sogar noch zu verstärken. Es gibt ja Bestrebungen, nicht nur die leitungsgebundenen Energien, sondern auch die Telekommunikation als "Daseinsvorsorge" unter der Regie der Kommunen zu bündeln. Der Grund ist klar: Das bringt Geld.

Viele Kommunen wollen eine eigene Regulierungsbehörde, die die Durchleitungspreise bestimt.

Wer das will, will nicht die Liberalisierung des Marktes forcieren, sondern den Wettbewerb bremsen und die alten Strukturen bewahren. Das ist falsch. Derzeit übernehmen wir ja die Rolle des Regulierers, und wir machen unsere Sache gut. Ich bin gegen sektorspezifische Regulierungsbehörden und gegen sektorspezifische Gesetze. Das zerfleddert das allgemeine Wettbewerbsrecht.

Der Präsident der Regulierungsbehörde für Telekommunikation, Herr Scheurle, würde den Energiebereich ganz gern an sich ziehen. Sind Telekommunikation und Strom nicht verwandte Bereiche?

Herr Scheurle kann ja versuchen, Starkstrom durch die Telefonnetze zu jagen, dann wird er schnell feststellen, dass das unterschiedliche Bereiche sind. Außerdem ist das Fachwissen bei uns gebündelt, die Regulierungsbehörde würde bei Null starten.

Hat denn das Kartellamt genug Mittel, wirksam durchzugreifen?

Im Grunde schon. Ich hätte allerdings bei der letzten Kartell-Novelle gern noch die sofortige Vollziehung unserer Anordnungen durchgesetzt. Es kann doch nicht sein, dass die Unternehmen unsere Beschlüsse unterlaufen, indem sie vor Gericht Zeit schinden. Doch das hat leider nicht geklappt. Wir werden daher unsere Beschlüsse jetzt selbst für sofort vollziehbar erklären, und Unternehmen, denen das nicht gefällt, müssen dann gegen die sofortige Vollziehung klagen. Im Streit mit der Bewag über die Durchleitung von Strom stehen wir genau vor dieser Frage.

Wann müsste die bundesweite Vereinbarung zur Durchleitung von Strom stehen?

Die beteiligten Verbände wollen noch im September fertig werden. Und sie stehen unter massivem Druck. Die Kritik, die von den Kommunen und Teilen von SPD und Grünen kommt, ist ja ganz heilsam. Sie schafft einen Zwang zur Einigung. Ich sehe übrigens auch durchaus Möglichkeiten, die Interessen der Kommunen in der neuen Vereinbarung zu wahren.

Wie?

Man könnte in Ballungsräumen, in Millionenstädten, eine gewisse Quote für die Kraft-Wärme-Koppelung vorsehen. Man darf das zwar nicht übertreiben, indem man ein Netzwerk für ökologischen Strom festschreibt und so den Wettbewerb tötet. Aber ich habe schon Verständnis dafür, wenn man bestimmte, ökologisch sinnvolle Investitionen der Kommunen schützt.

Derzeit läuft der Strom-Wettbewerb ausschließlich über den Preis. Heizt das die Konzentration an?

Die Preissenkungen, die es derzeit auf dem Markt gibt, bewegen sich in einem ganz normalen Bereich.

Als privater Kunde kann man zwar billigen Strom ordern, als Berliner bekommt man aber keinen geliefert. Wann wird sich das ändern?

Wenn wir eine Verbändevereinbarung haben, die eine hohe Transparenz und nachvollziehbare, entfernungsunabhängige Durchleitungspreise garantiert, und der Strom an Strombörsen gehandelt werden kann - dann kann die bundesweite Durchleitung ganz schnell kommen.

Die Bewag sagt, ihre Leitungen reichen nicht, um fremden Strom durchzuleiten.

Die Technik macht mir keine echte Sorge. Bei den bisherigen Fällen haben sich die angeblichen technischen Probleme immer relativ schnell lösen lassen.

Das Kabinett hat am Mittwoch Ulf Böge zum neuen Kartellamts-Chef ernannt. Welche Ratschläge geben Sie Ihrem Nachfolger?

Herr Böge war einer meiner Mitarbeiter in Bonn, als ich beim Wirtschaftsministerium das neu gegründete Referat Wettbewerbspolitik übernahm. Er gehörte quasi zur Erstausstattung dieses Referats. Wir kennen uns seit Mitte der 70er Jahre. Ich finde es gut, dass er mein Nachfolger wird, und ich brauche ihm den ordnungspolitischen Katechismus nicht nahe zu bringen. Aber auch er wird sich die Breitschultrigkeit zulegen müssen, die man in diesem Amt braucht.

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