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Wirtschaft: Der Siemens-Sumpf wird tiefer

Zahlungen an gefügige Betriebsräte noch höher / Ermittlungen auch gegen Ex-Aufsichtsratschef Baumann

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Zahlungen an gefügige Betriebsräte noch höher / Ermittlungen auch gegen Ex-Aufsichtsratschef Baumann

München/Berlin - Der Skandal um mutmaßliche Schmiergeldzahlungen an die Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger (AUB) weitet sich aus. Nach der Verhaftung des Zentralvorstands Johannes Feldmayer ermittelt die Staatsanwaltschaft Nürnberg gegen weitere hochrangige Manager des Konzerns. Unter ihnen ist der ehemalige Aufsichtsratschef Karl-Hermann Baumann. Dessen Anwalt Hanns Feigen sagte, sein Mandant werde mit der Staatsanwaltschaft kooperieren. Die IG Metall prüft, Strafanzeige wegen Verstößen gegen das Betriebsverfassungsgesetz zu stellen. An der Börse rutschten Siemens-Papiere am Mittwoch mit minus 2,3 Prozent auf 79,38 Euro an das Dax-Ende.

Siemens hat Feldmayer inzwischen auf dessen Wunsch von seinen Pflichten vorerst entbunden. Der 50-Jährige soll Gelder veruntreut haben. „Die Vorwürfe der Untreue werden zu Unrecht erhoben“, sagte Feldmayers Anwalt Martin Reymann-Brauer am Mittwoch.

Feldmayer und weitere Siemens-Manager sollen dafür verantwortlich sein, dem AUB-Gründer Wilhelm Schelsky in den Jahren 2001 bis 2005 Millionenbeträge gezahlt zu haben, denen keine adäquate Leistung gegenüberstand. Siemens soll sich die AUB, die auch im Aufsichtsrat vertreten ist, damit gefügig gemacht haben, während Schelsky mit dem Geld seine Organisation mit bundesweit 32 000 Mitgliedern aufbaute. Er sitzt seit Mitte Februar in Untersuchungshaft.

Siemens-Vorstandschef Klaus Kleinfeld sagte der „Süddeutschen Zeitung“, er habe von den Zahlungen an Schelsky bis zum Bekanntwerden des Ermittlungsverfahrens „keine Kenntnis“ gehabt.

In Ermittlerkreisen ist von Zuwendungen von 15 Millionen Euro die Rede. Feldmayers Anwalt konkretisierte die Zahl am Mittwoch. Die Staatsanwaltschaft lege seinem Mandanten zur Last, 15,5 Millionen Euro an Schelsky überwiesen zu haben. Im Konzern hieß es unterdessen, es könne auf mindestens die zwei- bis dreifache Summe hinauslaufen. Schließlich habe Schelsky schon in den 90er Jahren mit Siemens zusammengearbeitet. Die Nürnberger Kriminalpolizei und die Steuerfahndung gehen auch dem Verdacht von Verstößen gegen das Betriebsverfassungsgesetz nach. Dort ist in Paragraf 19 festgelegt, dass eine Betriebsratswahl angefochten werden kann, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist. Darauf stehen bis zu zwei Jahre Haft. Siemens soll systematisch in Betriebsratswahlen eingegriffen und die AUB-Betriebsräte gezielt bevorzugt haben. Die Staatsanwaltschaft darf hier jedoch nur auf eine Strafanzeige hin Ermittlungen aufnehmen.

Der bayerische IG-Metall-Chef Werner Neugebauer sagte dem Tagesspiegel, die Juristen der Gewerkschaft prüften, ob eine Strafanzeige Aussicht auf Erfolg habe. Die IG Metall hege seit langem den Verdacht, dass die AUB unrechtmäßig von Siemens finanziert werde. „Dass das solche Ausmaße annimmt, schlägt aber dem Fass den Boden aus“, sagte er. Gegen Siemens sei die Volkswagen-Affäre „Pipifax“, da sich dort nur ein Betriebsrat bereichert habe. Zudem gehe es bei Siemens um weitaus höhere Summen.

Die Technische Universität Berlin hält an dem verhafteten Siemens-Vorstand Feldmayer als Honorarprofessor fest. „Es gilt die Unschuldsvermutung“, sagte TU- Vizepräsident Jörg Steinbach dem Tagesspiegel. Feldmayer, der strategisches Management unterrichtet und erst vor fünf Monaten zum Honorarprofessor ernannt wurde, komme seinen Lehrverpflichtungen bisher „sehr engagiert“ nach. Siemens fördert an der TU Berlin einen „Center for Knowledge Interchange“, der Wirtschaft und Wissenschaft enger verknüpfen soll.

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