zum Hauptinhalt
Alles sollte passen. Wo sich Menschen ohne Worte verstehen, müssen die Regeln des Zusammenlebens nicht in Gesetzesform gebracht werden. Wohngemeinschaften, die einen Putzplan benötigen, sind dennoch nicht zum Scheitern verurteilt. Foto: dpa

© dpa

Zimmersuche: Dickes Fell und viel Zeit

Wer nach der geeigneten Studenten-WG fahndet, muss sich auf einiges gefasst machen.

In einer Anzeige der Internetplattform wg-gesucht.de heißt es: „Aus zeitlichen Gründen werde ich nicht jede Anfrage beantworten können. Wenn ich mich nach drei Tagen nicht melde, dann besteht kein Interesse. Ich wünsche allen viel Erfolg bei der Suche.“ Wer zurzeit auf wg-gesucht.de ein Zimmer sucht, findet in Berlin mehr als 900 Angebote. Ein anderer Inserent hat die Besichtigungstermine wieder gelöscht. Zu großer Andrang. „15 Anrufe in zehn Minuten“, klagt er. WGs sind immer noch auf Platz eins der beliebtesten Wohnformen unter Studenten. Gemäß einer Studie des Deutschen Studentenwerks von 2009 teilen sich in Ostdeutschland 36 Prozent Heim und Herd, 28 Prozent sind es im Westen.

Wer glaubt, nette Mitbewohner finden sich nebenbei, der irrt. Seit einigen Jahren setzen sich pünktlich zum Winter- und Sommersemester Ströme von Wohnungssuchenden in Gang. Sie ziehen durch die Stadt, klingeln hier, klingeln dort. Die meisten fühlen sich, als jagten sie einem wichtigen Job hinterher. Nicht selten liegt ein Fragebogen auf dem Küchentisch, in wenigen Minuten muss man seine Vorzüge preisen, bevor schon der nächste Bewerber ins Zimmer drängt. Da hilft nur, ein dickes Fell und viel Zeit mitzubringen.

Keiner mag es, vor dem WG-Rat durchleuchtet zu werden, aber in die Rolle des Bittstellers sollte man sich auch nicht drängen lassen. Schließlich hat man als späterer Mitbewohner dieselben Rechte und Pflichten und muss sich in der Gemeinschaft genauso wohlfühlen wie die anderen. Ehrlichkeit ist schon im ersten Gespräch wichtig. Wie oft übt man Klarinette? Hat man gerne Übernachtungsgäste? Wie oft lädt der Freund seinen Hund zum Dogsitting ab? Unschön für Bewerber ist es, wenn sie am Ende des Vorstellungsgesprächs auch noch freundlich in eine Kamera schauen sollen. Alles schon passiert.

Wer noch nie in einer WG gewohnt hat, sollte sich ruhig ein paar mehr Anzeigen vorknöpfen. So bekommt man ein Gefühl dafür, was einem selbst vorschwebt, mit welchem Küchenchaos man sich anfreunden könnte, was für welchen Preis in welchem Bezirk angeboten ist. „Ach ja, da ist ja noch das unangenehme Thema des Putzens – wir haben keinen Putzplan, aber die Wohnung ist immer sauber. Jeder sollte ganz von alleine seine Sachen wegräumen und zum Staubsauger greifen, ohne dass es diskutiert wird.“ Der Putzplan. Ein Mythos. Und leider gibt es kein Geheimrezept, damit sich alle daran halten. Manche brauchen keinen, manche entwickeln ausgeklügelte Belohnungssysteme, für jedes geputzte Klo oder jeden entleerten Müll kassiert der Fleißige einen Punkt. Fertige Pläne gibt es in verschiedenen Varianten zum Ausdrucken im Internet: www.wg-ratgeber.de/putzplaene.

Schon bei der Besichtigung kann man erahnen, wie ordentlich wohl die Mitbewohner sind: Stehen die Töpfe und Tiegel im Bad im rechten Winkel, der Größe nach geordnet, im Regal? Dann nehmen sie es ganz genau. Oder pfeffert sie jeder in einen großen Korb? Dann sehen sie Putzen eher locker. Auch hier gilt: früh darüber reden. Das ist die Crux des Anfangs. Man ist noch in der Beschnupperungsphase, muss aber schon klar und deutlich miteinander verhandeln.

Unbedingt verständigen sollten sich die zukünftigen Mitbewohner über den Mietvertrag. Erste Möglichkeit: Nur einer aus der WG unterschreibt. Dann ist aber auch nur jener zur Zahlung der Miete verantwortlich, er ist der einzige Ansprechpartner für den Vermieter. Die Wohnungsgenossen müssen untereinander klären, wie sie die monatlichen Überweisungen regeln. Möglich ist zum Beispiel, einen Untermietvertrag abzuschließen. Infos dazu gibt der Deutsche Mieterbund (DMB). Zweite Möglichkeit: Sind alle Mitbewohner auf dem Vertrag als Mieter vermerkt, haben auch alle die gleichen Rechte und Pflichten. Will einer ausziehen, müssen die anderen zustimmen. Der DMB empfiehlt, im Vertrag festzuhalten, dass an eine WG vermietet wurde. „Dann können beim Auszug einer oder mehrerer Personen die verbleibenden Mitglieder der WG vom Vermieter verlangen, dass sie neue Mitglieder in ihre Wohngemeinschaft aufnehmen können. Der Wechsel von Mitgliedern einer Wohngemeinschaft sollte dabei aber auf jeden Fall dem Vermieter mitgeteilt werden“, heißt es auf der Internetseite des DMB (www.mieterbund.de).

Wer sich freut, sich aus der elterlichen Ordnung befreit zu haben, der mag es kleinlich finden, schriftlich festzuhalten, wie man mit den Kosten von Schönheitsreparaturen oder der Mietkaution umgeht. Doch genau dazu rät der DMB. „Was schwebt mir vor? Eine bunte, tolerante, eventuell politisch aktive Nicht-Zweck-WG mit vielen netten Menschen (gern auch Kindern) zwischen 0 und sagen wir mal 35, und natürlich ohne Rassismus, Mackertum oder sonst irgendeinem diskriminierenden Scheiß.“ Wer sich auf die Suche macht, findet alles, wirklich: von symbiotischer Lebensgemeinschaft bis zur Zweck-WG. Von der gemeinsamen Haushaltskasse bis zu getrennten Kühlschrankfächern. Was wollen die anderen? Wöchentliche Kochabende? Ruhe? Und was erwarte ich? Wie fühle ich mich wohl? Die Suche nach den richtigen Mitbewohnern kann auch eine Suche nach dem eigenen Ich sein.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false