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Wirtschaft: "Die Bauern wollen mehr Markt"

BERLIN (chi).Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner, hat den Vorwurf zurückgewiesen, die deutschen Landwirte wollten eine Reform des europäischen Agrarsystems boykottieren.

BERLIN (chi).Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner, hat den Vorwurf zurückgewiesen, die deutschen Landwirte wollten eine Reform des europäischen Agrarsystems boykottieren."Wir wehren uns nicht gegen mehr Markt - wir wollen ihn", sagte er im Gespräch mit dieser Zeitung.Die Reformvorschläge von EU-Agrarkommissar Franz Fischler zielten "aber genau in die entgegengesetzte Richtung".Statt mehr Markt werde ein kompliziertes Regelungssystem angepeilt, mit zahllosen Prämien, höheren Quoten und mehr Bürokratie, das die Überproduktion zudem weiter ankurbeln werde."Das kann doch nicht die Antwort sein", sagte Sonnleitner.

Es gehe nicht darum, die Reform zu verhindern, sondern darum, sie zu korrigieren, so der Bauernverbandschef.Als Beispiel nannte er das für den Rindfleischmarkt geplante Prämiensystem.Wenn Bauern auf die Ochsenzucht umsattelten, nur weil es dafür höhere Prämien gebe, habe das nichts mit Markt zu tun.Sein Vorschlag: "Für jedes Tier eine einheitliche Prämie." Die Landwirte könnten dann selbst entscheiden.Auch sei nicht einzusehen, warum deutsche Bauern für ein Kilo Rindfleisch einen Ausgleich von 40 Pfennigen erhielten, jene in Irland und Portugal aber umgerechnet 1,80 DM.Als "Illusion" bezeichnete Sonnleitner schließlich die Hoffnung, die osteuropäischen Staaten in das geplante System einzubinden."Das ist nicht zu finanzieren", sagte er."Fischlers Modell erschwert die Osterweiterung."

Als falsch bezeichnete Sonnleitner den Vorwurf, die Landwirte seien nicht marktorientiert.In Teilbereichen wie der Schweinezucht herrschten längst Weltmarktkonditionen.Gleichwohl sei in den umstrittenen Bereichen - Getreide, Milch und Rindfleisch - Außenschutz nötig.Die Europäer dürften sich nicht von den Amerikanern erpressen lassen.Solange es unterschiedliche Produktionsstandards gebe, könne man nicht von einem "fairen Wettbewerb" sprechen."Wenn wir kein Hormonfleisch wollen, dann müssen wir das auch honorieren", sagte Sonnleitner.Auf die Verbraucher könne man sich nicht allein verlassen - das zeige die Forderung nach mehr Öko-Produkten."Wenn alle Wähler von Bündnis 90/Die Grünen Öko-Produkte kaufen würden, dann läge der Produktionsanteil über den gegenwärtigen zwei Prozent."

Für korrekturbedürftig hält Sonnleitner jedenfalls das Bild der subventionsschluckenden Bauern.Der Verweis, sie stellten nur noch zwei Prozent der Erwerbsbevölkerung dar, kassierten aber 50 Prozent des EU-Haushaltes, sei ein "Totschlagsargument".Die Landwirtschaft sei der einzige vollständig vergemeinschaftete Bereich."Würde man die europäischen Rentenversicherungssysteme ebenso vergemeinschaften, sähe die Rechnung anders aus."

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