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Bald in Freiheit? Noch in diesem Jahr soll es ein Komplettverbot für den Neubau von Käfiganlagen für Hühner geben. Foto: dpa
© picture-alliance/ dpa/dpaweb

Wirtschaft: Die Krisenprofiteure

Der Dioxin-Skandal zeigt Wirkung. Verbraucher kaufen mehr Bio-Produkte – und die Regierung verbietet die Käfighaltung

Von Carla Neuhaus

Berlin - Im „Weltempfänger“ ist das Sandwich mit dem Hühnchenfleisch aus. Schon seit Wochen wird „Zimmer No 11“, das Spezialgericht der Bar in Berlin-Mitte, nicht mehr serviert. Grund dafür ist der Dioxinskandal. „Es war uns sehr wichtig, auf den Skandal zu reagieren und Sensibilität zu zeigen“, sagt Geschäftsführer Francesco Storrentino. Wann er das Sandwich wieder in die Karte aufnehme, wisse er noch nicht. Eines aber sei klar: Im „Weltempfänger“ kämen nur noch Bioprodukte auf den Tisch. „Die meisten Kunden finden unsere Reaktion gut“, sagt Storrentino.

Dass giftiges Dioxin ins Tierfutter gemischt wurde und so in Eier und Schweinefleisch gelangen konnte, hat die Verbraucher nachhaltig verunsichert. Viele greifen jetzt verstärkt zu Bio-Lebensmitteln. Chemisch verarbeitetes Futterfett wie das der Firma Harles und Jentzsch, in dem das Dioxin gefunden wurde, darf in der ökologischen Landwirtschaft nicht verwendet werden. Zwar wurde im vergangenen Jahr auch in Bio-Eiern Dioxin entdeckt – trotzdem hat der aktuelle Skandal vor allem Zweifel an der industriellen Tierhaltung geweckt.

„Bioprodukte sind immer noch stark gefragt“, sagt Carsten Veller, Sprecher des ökologischen Anbauverbands Naturland. Er geht davon aus, dass sich die Nachfrage durch den Dioxin-Skandal langfristig auf einem höheren Niveau einpendeln wird als zuvor. Einer Befragung der Forschungsgruppe GDP zufolge will jeder zehnte Deutsche nach dem Dioxinskandal mehr Bio kaufen. Von diesem Boom profitiert auch die Berliner Supermarktkette Biocompany. „Die Eier sind bei uns immer wieder komplett ausverkauft“, sagt Sprecher Robert Erler. Auch am vergangenen Freitag waren die Regale zeitweise wieder leer. Seit Bekanntwerden des Skandals Anfang Januar hat das Unternehmen seinen Umsatz mit Eiern um 20 Prozent gesteigert. Gäbe es mehr Biohennen, könnte die Umsatzsteigerung sogar noch höher liegen, sagt Erler. Doch die Nachfrage übersteige derzeit deutlich das Angebot.

Beim Schweinefleisch entspannt sich die Lage langsam. Im Januar war der Preis für ein Kilo auf 1,12 Euro abgesackt. Zuvor war bekannt geworden, dass Fleisch, das mit Dioxin belastet war, bis in den Handel gelangt sein könnte. Am Freitag lag der Preis nach Angaben der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschland wieder bei 1,33 Euro. „Trotz steigender Nachfrage sind die Landwirte noch weit davon entfernt, Gewinne zu schreiben“, sagt Jana Püttker von der Interessengemeinschaft. Damit die Schweinemast sich wirtschaftlich rechne, müsste mindestens ein Preis von 1,60 Euro erzielt werden. Auch der Fleischexport zieht nur langsam wieder an. Der chinesische Markt ist für deutsches Schweinefleisch noch immer gesperrt, auch Ungarn und Russland haben Importbeschränkungen.

„Langfristig hat der Dioxin-Skandal die Folge, dass Verbraucher immer weniger Vertrauen in die Lebensmittel haben“, sagt Rainer Pfuhler vom Marktforschungsinstitut Rheingold. Er geht davon aus, dass 61 Prozent der Deutschen jetzt ihr Einkaufsverhalten ändern werden. „Die Verbraucher achten mehr darauf, was sie kaufen.“

Der Skandal beschäftigt auch Politik und Behörden weiter. Noch immer sind Höfe, die das verseuchte Futter gekauft hatten, gesperrt, vor allem in Niedersachsen. Die Ermittlungen gegen das schleswig-holsteinische Unternehmen Harles und Jentzsch dauern noch an. Ergebnisse liegen aber noch nicht vor.

Die Bundesregierung plant unterdessen verschärfte Regeln für die Lebensmittelbranche: Sie wolle die Lebensmittelkette sicherer machen und Missstände abstellen, erläutert Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) der „Wirtschaftswoche“. Ein schärferes Tierschutzgesetz soll zudem den Bau von Käfiganlagen für Hühner völlig untersagen.

Die vergangene Woche im Kabinett beschlossene Verschärfung des Lebensmittel- und Futtergesetzbuches sei nur ein erster Schritt, sagt Aigner. Bei Verstößen gegen Vorschriften des Lebens- und Futtermittelrechts müssten die Länderbehörden in Zukunft von sich aus den Firmennamen und das Produkt zwingend veröffentlichen, hebt Aigner hervor. Außerdem werde die Intensität der amtlichen Kontrollen erhöht, die Kontrollpraxis in den Ländern solle unabhängig überprüft werden.

Angesichts der wachsenden Kritik an der industriellen Tierhaltung arbeitet Aigners Ministerium auch an einer Verschärfung des Tierschutzgesetzes. Noch in diesem Jahr solle es ein Komplettverbot für den Neubau von Käfiganlagen für Hühner geben, bestätigt ein Ministeriumssprecher der Nachrichtenagentur AFP. Für bestehende Käfiganlagen ist eine Übergangsregelung vorgesehen, künftig soll es dann nur noch Genehmigungen für Boden-, Freiland- und Öko-Haltung geben.

Aigner plant nach Angaben ihres Sprechers zudem ein neues Tierschutz-Label ähnlich dem Bio-Siegel. Damit sollen die Verbraucher erkennen können, wie die Tiere gehalten wurden. Das Siegel solle möglichst auf europäischer Ebene eingeführt werden, das Ministerium werbe derzeit in Gesprächen mit der Landwirtschaft auch für eine nationale Regelung. Weiter seien ein Verbot für Brandzeichen bei Pferden und von Ferkel-Kastrationen ohne Betäubung geplant. Erstmals soll es auch spezifische Haltungsbedingungen für Mastkaninchen geben.

Die FDP fordert Aigner auf, ihren Worten auch Taten folgen zu lassen. „Anbindehaltung, hohe Mortalitätsraten in der landwirtschaftlichen Tierhaltung, kupierte Schwänze bei Schweinen, sowie Puten, die sich nicht auf den Beinen halten können, müssen der Vergangenheit angehören“, erklärt die ernährungs- und landwirtschaftspolitische Sprecherin der Liberalen, Christel Happach-Kasan. Die hohen Standards müssten aber europaweit gelten, damit Tierschutzregeln in Deutschland nicht zu einer Verlagerung der Haltung in andere Länder führen. mit AFP

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