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„Die Zeit läuft uns davon“: Reiche ruft Koalition wegen Wirtschaftskrise zu Reformagenda auf
Auch im Jahr 2025 kommt die Wirtschaft nicht in Schwung. Ministerin Reiche hat nicht den Eindruck, dass die Dramatik ausreichend wahrgenommen wird. Sie dringt auf eine Reformagenda.
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Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche ruft die schwarz-rote Koalition angesichts der Wirtschaftskrise zum Handeln auf. Die CDU-Politikerin sagte auf dem Arbeitgebertag in Berlin, es brauche Reformen, weil „uns die Zeit davon läuft“. Ihrer Einschätzung nach würden die Dramatik, die Ernsthaftigkeit und der Stress, unter denen die Wirtschaft in Deutschland stehe, nicht hinreichend wahrgenommen. Deutschland bleibe unter seinen Möglichkeiten. Man solle die Lage nicht schöner reden als sie sei.
Die demokratischen Kräfte müssten zeigen, dass sie unter schwierigen Bedingungen Reformen hinbekommen, ansonsten werde es in den kommenden Jahren nicht einfacher, sagte Reiche. Es dürfe nicht um den kleinsten gemeinsamen Nenner gehen, sondern es müsse die Kraft gefunden werden, Deutschland nach vorne zu bringen.
Deutschland steckt seit Jahren in einer wirtschaftlichen Schwäche. Nach zwei Rezessionsjahren kommt die deutsche Wirtschaft auch 2025 nicht in Fahrt.
Reiche fordert umfassende Reformagenda
Reiche sagte, es müsse eine Reformagenda angegangen werden. Energiekosten müssten gesenkt, der Sozialstaat entschlackt werden. Es brauche Reformen auf dem Arbeitsmarkt, Bürokratie müsse abgebaut und Investitionen angereizt werden. Der Großteil der Investitionen finde im Ausland statt, sagte Reiche. Es gebe fast eine „Kapitalflucht“.
Die Ministerin bekam auf dem Arbeitgebertag viel Applaus. Sie hatte vor zwei Wochen bei einer Grundsatzrede eine „Agenda 2030“ vorgeschlagen. Deutschland drohe international den Anschluss zu verpassen und brauche ein umfassendes „Fitnessprogramm“. Sie erneuerte auf dem Arbeitgebertag Forderungen, etwa nach einer längeren Lebensarbeitszeit. Sie sprach sich zudem erneut für eine Lockerung des Kündigungsschutzes aus.
Die Vorsitzende der Gewerkschaft IG Metall, Christiane Benner, sprach mit Blick auf den Stellenabbau in vielen Unternehmen von einem „Aderlass“. In den Betrieben sei die Stimmung nicht gut, es herrsche eine riesige Unsicherheit.
Nach einem Minus im Frühjahr gab es auch im dritten Quartal kein Wirtschaftswachstum. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stagnierte zum Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag bestätigte.
Bereits im Schlussquartal 2025 könnte sich die Wirtschaftsleistung aber wieder etwas erhöhen, sodass Europas größte Volkswirtschaft im Gesamtjahr knapp am dritten Jahr ohne Wachstum vorbeischrammen würde. Für das nächste Jahr rechnen Ökonomen mit einem Ende der Flaute – auch wegen staatlicher Milliardeninvestitionen in Infrastruktur und Verteidigung.
Exporte schwächeln
Im Zeitraum Juli bis September investierten Unternehmen zwar mehr in Maschinen, Geräte und Fahrzeuge, wie aus den jüngsten Daten des Wiesbadener Bundesamtes hervorgeht: Die Investitionen in Ausrüstungen nahmen zum Vorquartal um 1,1 Prozent zu.
Doch die Ausfuhren von Waren und Dienstleistungen „Made in Germany“ gingen um 0,7 Prozent zurück. Höhere US-Zölle belasten die Exportnation Deutschland. Auch das Geschäft auf dem chinesischen Markt läuft nicht mehr so gut.
„Die Konjunktur wurde im dritten Quartal von schwachen Exporten gebremst, während die Investitionen leicht zulegten“, fasste die Präsidentin des Statistischen Bundesamtes, Ruth Brand, zusammen.
Preissteigerungen bremsen Verbraucher
Gestiegene Preise für Lebensmittel und Dienstleistungen bremsen zudem den privaten Konsum. Erstmals seit dem Schlussquartal 2023 ging der private Konsum zum Vorquartal zurück (minus 0,3 Prozent), weil Haushalte zum Beispiel weniger Geld in der Gastronomie ausgaben. Umfragen zufolge wollen viele Verbraucher selbst im üblicherweise umsatzstarken Weihnachtsgeschäft kürzertreten. Viele Einzelhändler bangen um ihre wirtschaftliche Existenz.
Der Arbeitsmarkt ist ohnehin unter Druck. In wichtigen Branchen wie der Automobilindustrie wurden binnen eines Jahres fast 50.000 Jobs gestrichen. Zudem fiel die Herbstbelebung auf dem deutschen Arbeitsmarkt schwach aus. Saisonal bedingt dürfte in den Wintermonaten Januar und Februar die Zahl der Arbeitslosen wieder auf mehr als drei Millionen steigen. (dpa)
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